Bewerben ohne Bewerbung

Neue Wege beschreiten

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Neue Wege beschreiten

Auf eine Stellenausschreibung kommen heute dutzende von Bewerbungen, meistens per Post oder E-Mail. Bei dieser Papierflut ist es kaum verwunderlich, dass die Personalentscheider nur mal kurz einen Blick auf die Unterlagen werfen, um sie gleich wieder zur Seite zu legen. Es sei denn, Sie fallen mit Ihren Kompetenzen positiv auf - und das geht auch ohne eine klassische Bewerbungsmappe. Karriere-Beraterin Svenja Hofert stellt Strategien vor, mit denen Sie auch ohne Bewerbung auf Jobsuche gehen können. Vom Kurzprofil bis zur Telefonbewerbung, ob 40plus oder Anfänger - mit viel Eigeninitiative lassen sich so einige Türen öffnen.

Vom Kurzprofil bis zum mündlichen Angebot

Die klassische Mappe hat ausgedient. In Zeiten von chronischem Bewerberüberschuss kommen Sie mit anderen Methoden besser ans Ziel. Beispielsweise mit dem Schneeballsystem oder der mündlichen Vorstellung.

1.500 dicke Mappen soll es auf manch Stellenanzeige in der Akademiker-Postille DIE ZEIT geben. Und selbst vor kleinen Vereinen macht die Flut der Einsendungen keinen Halt. Glauben Sie wirklich, dass die Personal- oder Fachabteilung da noch gewissenhaft auswählt und sich jede Bewerbung ansieht? Mit der gleichen Besetzung - oder sogar mit weniger Mann oder Frau an Bord? Nein, natürlich nicht. Und nein, natürlich würde das aber auch keiner offen sagen. Wer einige Bewerbungen verschickt hat, weiß, wie frustrierend die Resonanz auf dem "offiziellen Weg" ist: Sie liegt oft bei Null, selbst wenn Sie hundertprozentig auf ein ausgeschriebenes Profil passen.

Das bedeutet weder, dass es keine Jobs gibt noch dass nicht mehr eingestellt wird. Die Praxis hat sich bloß verändert. Firmen brauchen keine Anzeigen mehr, wenn auch ohne offizielle Ausschreibung genug Bewerber greifbar sind. Oder wenn immer jemand da ist, der jemand kennt, der wiederum jemand kennt ... Für Sie als Bewerber bedeutet das: umdenken und neue Wege beschreiten.

Aktion statt Mappe

Eine Strategie liegt etwa darin, interessanten Unternehmen ein mündliches oder schriftliches Angebot zu unterbreiten. Die Möglichkeiten:

  • mit speziellem Branchen-Know-how einen noch nicht erschlossenen Geschäftszweig aufbauen,

  • ein Projekt durchführen oder

  • drei Monate zur Probe arbeiten.

  • Sie können auch - als kreative Variante mit eigener Dramaturgie - einmal wöchentlich Ideen oder Verbesserungsvorschläge an die Chefadresse schicken. So zeigen Sie Schritt für Schritt Ihre Kompetenz. Selbstverständlich outen Sie sich dabei aber nicht als Bewerber.

Überhaupt sollten Sie dieses Wort vermeiden. Denn es löst in den Ohren von Mitarbeitern und Entscheidern einen üblen Reflex aus - und provoziert Aussagen vom Stil "schicken Sie mal Ihre Unterlagen" oder "bewerben Sie sich doch über unser Online-Formular". Dies ist fast nie eine ernst gemeinte Bitte, sondern lediglich eine Form moderner Abfang- und Abwehrtechnik. Sie könnten die Unterlagen genauso gut direkt in den Papierkorb werfen. Bei den "Bewerben-ohne-Bewerbung"-Strategien gilt es, das herkömmliche Bewerbervokabular unbedingt zu vermeiden.

Ihren ebenso durchdachten wie konsequent am Nutzen der Firma ausgerichteten Vorschlag richten Sie selbstredend an einen Geschäftsführer. Rechnen Sie dabei mit mehrmaligen Initiativen Ihrerseits. Auch ein Verkäufer kommt bei seiner Akquise für erklärungsbedürftige Produkte mitunter erst nach einem Jahr zum Abschluss. Geduld ist also die Mutter der Bewerbungskiste. Statt einem Vorstellungsgespräch können sechs Verkaufsverhandlungen auf Sie zukommen. Vielleicht müssen Sie auch einen Business Plan ausarbeiten oder Ihre Idee einem größeren Kreis präsentieren. Am Ende steht aber ein Job, der Sie fordert und interessiert - und das sollte es doch wert sein.

Post in eigener Runde

Nichts für Sie? Eine andere, schneller wirkende Strategie liegt darin, ein Schneeballsystem zu starten. Die Schneeballstrategie eignet sich vor allem für Menschen, die vielfach einsetzbare Kenntnisse haben und kein ausgewiesenes Spezialwissen. Statt Mappe erarbeiten Sie ein knackiges Kurzprofil auf einer Seite, das Sie am besten gleich an zehn ehemalige Kollegen, Bekannte oder Freunde schicken. Diese "Helfer" verpflichten Sie dazu, Ihr Kurzprofil an weitere bis zu zehn Arbeitnehmer im eigenen Kreis weiterzuleiten, die das Profil wiederum an andere Mitarbeiter in anderen Firmen geben.

Ziel sollte es sein, dass das Profil innerhalb der jeweiligen Firma auch zu den Entscheidern gelangt, also den Chefs von Fachabteilungen in den jeweiligen Firmen der "Schneemänner". Ihr Profil sollte

  • Ihre Eckdaten zusammenfassen,

  • alle Kontaktmöglichkeiten enthalten und

  • auch ein berufliches Ziel wiedergeben (z.B. "Teilzeitstelle als Übersetzerin für Englisch und Spanisch").

Es verbreitet sich auf diese Art und Weise in Windeseile. Sie sollten Ihre Schnee- bzw. Strohmänner allerdings ordentlich briefen (am besten eine Gebrauchsanweisung schreiben) und sich versichern, dass das System nicht an irgendeiner Stelle hakt. Keine falsche Scheu vor so viel Offensive! Die erfolgreichsten Menschen sind die, die Ihre Ziele beharrlich verfolgen.

Sie sind zu erfahren - und würden trotzdem gerne einen bescheidenen Job haben? Mit einer überqualifizierten Bewerbungsmappe haben Sie keine Chance. Eine Alternative liegt in der klassischen Tageszeitungsanzeige, die derzeit eine neue Blütezeit erlebt. Erfolgsrezept: Schreiben Sie klar und deutlich, was Sie machen wollen. Sagen Sie nicht, was Sie sind, sondern was Sie können. Das ist die komplette Gegenstrategie zum Detail-Profil bei Online-Jobbörsen wie Monster oder Stepstone. Mit einem Online-Detail-Profil ist die Resonanz bei Durchschnittsjobs meist gleich Null. Schließlich handelt es sich hier ja auch nur um einen "klassischen" Online-Lebenslauf.

Egal für welche "Bewerben ohne Bewerbung"-Strategie Sie sich entscheiden - allen gemeinsam ist, dass Sie sich damit für die richtigen Personen - und das sind selten Personaler, sondern meist Fachverantwortliche - sichtbar machen und sich geschickt in deren Blickfeld begeben. Das ist oft sehr viel mehr Arbeit, als einfach nur eine Mappe zu schicken - aber fast immer auch effizienter.