Können, müssen, dürfen - Gesprächshürden im Business

Modalwörter im Geschäftsalltag

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Modalwörter im Geschäftsalltag

Feinabstimmung

Obwohl nun deutlich ist, welche Wirkungen müssen, dürfen & Co. im Allgemeinen haben können, ist es sehr hilfreich, den Einsatz von Modalwörtern immer auf die Person individuell abzustimmen. Denn Individuen benötigen auch eine individuelle Ansprache:

  • Der dynamische Entscheider, der weiß, was er will und der es gewohnt ist, selbst Entscheidungen zu treffen, fühlt sich durch ein "müssen" vielleicht auf den Schlips getreten.

  • Beim Zauderer, der eher zögerlich ist, sich nie entscheiden kann und Entscheidungshilfe in Form von leichtem Druck benötigt, ist ein "müssen" vielleicht genau richtig, um ihn zur Entscheidung zu bewegen.

Und das sind nur zwei kleine Beispiele einer ganzen Armada verschiedener Kommunikationstypen.

Die Bedürfnisse Ihres Gesprächspartners erkennen Sie meist nur indirekt, indem Sie Ihre Wahrnehmung schärfen: Wie reagiert Ihr Gegenüber sprachlich, stimmlich und körperlich auf Ihr Modalwort-Angebot? Es ist wichtig, flexibel und offen mit Sprache umzugehen und diese dem jeweiligen Empfänger gegenüber anzupassen.

Die Wirkung von Modalwörtern ist aber nicht nur personen-, sondern auch situationsabhängig. Denn nicht jeder Mensch zeigt in allen Lebenslagen die gleichen Reiz-Reaktionsmuster. Wir differenzieren dabei je nach Anlass und Situation.

Ich selbst verbinde eine sehr ausgeprägte, negative Wirkung mit dem Wort müssen. Gleichwohl reagiere ich, abhängig von der Situation, sehr unterschiedlich auf dieses Reizwort.

Beispiel: Vor Jahren gewann ich einen Gutschein für eine Fitnessstudio-Test-Mitgliedschaft. Ich selbst war sehr interessiert, mein innerer Schweinehund aber entschieden dagegen. Diesen Konflikt erkannte der Fitnesstrainer im Beratungsgespräch - und löste ihn geschickt. Auf mein Ausweichmanöver hin, dass ich mir das über Nacht ja noch überlegen (und mir von meinem inneren Schweinehund wieder ausreden lassen) könne, erklärte er mir, dass ich heute noch unterschreiben müsse, damit der Gutschein angerechnet werden könne. Es war ein riskantes Manöver. In diesem Fall war es aber der richtige Umgang mit mir (besser gesagt mit meinem Schweinehund), denn ohne das müssen hätte ich das Fitnessstudio nie wieder betreten. Der richtige Schubs im richtigen Moment.

Gegenbeispiel: Als selbständige Trainerin arbeite ich unter anderem für verschiedene Weiterbildungsinstitute. Vor ein paar Monaten musste ich vor Trainingsantritt ein Formular mit sehr vielen (lächerlichen) Fragen ausfüllen, das beweisen sollte, dass ich nicht scheinselbstständig bin. Wer mir im beruflichen Kontext mit müssen begegnet, legt sich mit meinem inneren Freiheitskämpfer an. Es dauerte einen ganzen Tag, bis ich das Gefühl von "Ich habe mich doch nicht selbständig gemacht, um mich jetzt wie ein Schulmädchen behandeln zu lassen" wieder in den Griff bekam. Es kostete mich viel Überwindung, das Formular auszufüllen. Es half mir aber, zu wissen, dass ich die Fragen zwar ausfüllen muss, aber selbst entscheiden kann, in welcher Form ich dies tue.

Modalwörter für den Geschäftsalltag

Und welchen Unterschied macht es jetzt, wenn es heißt: "Herr Mayer, Sie müssen/dürfen/können/sollen mal eben hier unten den Vertrag unterzeichnen?"

Oft ist es so, dass im Gespräch mit Kunden oder Mitarbeitern eine nicht gleichberechtigte Gesprächssituation entsteht - ähnlich wie beim Kind-Eltern-Verhältnis.

  • Der Berater weiß ja viel mehr als der unbedarfte Kunde (Überlegenheit durch Wissensvorsprung) und

  • die Chefin entscheidet über die Zukunft ihrer Mitarbeiter (Überlegenheit durch Machtvorsprung).

Gerade hier können wieder Gefühle von Bevormundung (der Berater weist den Kunden darauf hin, dass er vor Vertragsabschluss doch noch folgende Dokumente beibringen muss) oder Unsicherheit beim Mitarbeiter erzeugt werden ("Muss ich Sie daran erinnern, dass morgen früh der Abgabetermin für das Projekt ist.").

Hier einige Anregungen für den Einsatz von Modalwörtern im Umgang mit Kunden, Geschäftspartnern oder Mitarbeitern. Es liegt in Ihrer Hand als Sender, welche Wirkung Sie bei Ihrem Gesprächspartnern hinterlassen möchten.

Aber auch hier gilt die Einschränkung: Jeder Mensch tickt anders. Wundern Sie sich deswegen nicht, wenn Sie bei bestimmten Personen damit eine grundsätzlich andere Reaktion auslösen. Spätestens dann ist Ihre Flexibilität im Umgang mit Modalwörtern gefragt.

  • Möchten Sie Freiraum schaffen, verwenden Sie vorzugsweise können; das spornt an und motiviert.

    Chefin zum Mitarbeiter: "Können Sie für mich bis Ende der Woche eine Übersicht der neuen Marketingaktivitäten für das Teamtreffen erstellen?"

    Berater zum Kunden: "Können Sie sich vorstellen, jeden Monat etwas in die Zukunft Ihrer Familie zu investieren?"

  • Wollen Sie Druck aufbauen, setzen Sie auf müssen. Der Terminus ist Mittel der Wahl bei entscheidungsschwachen Menschen, die es bevorzugen, wenn man sie sanft (!) zu einer Entscheidung drängt.

    Berater zum Kunden: "Sie müssen heute noch den Vertrag unterschreiben, um den Rabatt in Anspruch zu nehmen."

    Chefin zum Mitarbeiter: "Sie müssen sich einmal Gedanken über Ihre Zukunft bei uns machen."

  • Wenn Sie (fürsorglich) belehren möchten, nutzen Sie vorzugsweise sollen oder dürfen. Vorsichtig: Kein Oberlehrertonfall!

    Arzt zum Kunden: "Frau XY, Sie sollen doch nicht mehr so viel rauchen. Das schadet Ihrer Gesundheit."

    Chefin zum Mitarbeiter: "Herr A, Sie dürfen sich das nicht immer so zu Herzen nehmen. Frau B ist nun mal etwas impulsiv."

  • Wollen Sie Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen, setzen Sie auf können, möchten oder wollen.

    Geschäftspartner zum Geschäftspartner: "Kannst du morgen früh den Termin mit Frau XY für mich übernehmen?"

    Berater zum Kunden: "Ich möchte Ihnen ein paar Vorschläge zur Verbesserung Ihrer Altersvorsorge unterbreiten."

    Chefin zum Mitarbeiter: "Wollen wir uns später noch einmal bezüglich Ihres neuen Aufgabengebietes zusammensetzen?"

Fazit

Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass bestimmte Modalwörter ausschließlich negativ und andere durchweg positiv sind.

Zum einen sind die Erfahrungen mit Modalwörtern für jeden Menschen unterschiedlich. Müssen kann sowohl mit einem Gefühl von Bevormundung ("Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe."), als auch mit einem Gefühl von Motivation ("Unter Druck kann ich am besten Entscheidungen treffen.") verbunden sein.

Zum anderen ist das Wissen um die unterschiedlichen Wirkungen von Modalwörtern entscheidend, um auf jeden einzelnen Gesprächspartner individuell eingehen zu können. Manchmal erkennt man die Wirkung erst im Laufe eines Gespräches durch die Reaktion seines Gegenübers. Spätestens dann sollte jeder gute Kommunikator flexibel genug sein, um darauf zu reagieren. Bieten Sie dem Gesprächspartner ganz einfach ein anderes Modalwort an und entgehen Sie somit der Modalwortfalle.

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