Selbstständig im Ruhestand: So machen sich Rentner und Pensionäre nebenbei selbstständig

Das richtige Betätigungsfeld und die richtige Einstellung

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Das richtige Betätigungsfeld und die richtige Einstellung

Etwas dazuverdienen, weiterhin etwas Sinnvolles tun, deshalb selbstständig neben der Rente – schön und gut. Aber welche Tätigkeit wählen? Und ist das ganze Unterfangen nicht riskant?

Selbstständig im Ruhestand – wie, was und wo?

Viele Senioren haben die Fähigkeit, das Bedürfnis und die Notwendigkeit, trotz Renten- oder Pensionsbezug weiter zu arbeiten. Verglichen mit dem Bedarf ist das traditionelle Job-Angebot für Ruheständler allerdings vergleichsweise dürftig:

Wenn "Senioren gesucht" werden, dann geht es oft um Kurier- und Zustelldienste, Kinderbetreuung, Garten-, Einkaufs- und ähnliche Aushilfsdienste. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Doch sind auch solche typischen Seniorenjobs nicht überall leicht zu finden. Vor allem aber sind sie meist schlecht bezahlt: Stundenlöhne von 5 Euro und weniger sind keine Seltenheit. Mitunter, vor allem im sozialen Bereich, werden Rentner und Pensionäre sogar mit ganz und gar unbezahlten Ehrenämtern geködert – innerbetrieblich sind sie als kostenlose Hilfskräfte fest eingeplant.

Und: Wer schließlich doch einen festen und halbwegs ordentlich bezahlten Rentnerjob findet, büßt wiederum einen großen Teil seiner frisch gewonnenen Freiheit und Flexibilität ein. Dann fehlt die Zeit, um

  • einmal außer der Reihe zur Sauna oder zum Sport zu gehen,

  • spontan von billigen Flugreiseangeboten zu profitieren oder

  • endlich mal den seit langem geplanten VHS-Kurs mitzumachen.

Und dabei sind es doch genau solche Freiheiten, die gerade diesem Lebensabschnitt so viel Lebensqualität verleihen können.

Know-how vermarkten und Ideen verwirklichen

Wer sagt denn, dass Sie nach einem erfüllten Berufsleben auf Aushilfsjobs umschwenken müssen, bloß weil Sie jetzt in Rente sind? Sie möchten etwas Sinnvolles tun – haben aber keine Lust auf schlecht bezahlte Handlangertätigkeiten? Gut so.

Suchen Sie nicht im Kleinanzeigenteil des Lokalblatts nach einer geeigneten Nebentätigkeit. Wählen Sie sich lieber selbst eine maßgeschneiderte Aufgabe aus – eine, die möglichst genau zu Ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten passt. Überlegen Sie

  • was Sie ganz besonders gern tun,

  • was Sie ganz besonders gut können (stimmt oft miteinander überein),

  • bei welchen Aufgaben und in welchen Bereichen Ihr bisheriger Chef oder Ihre ehemaligen Kunden Unterstützungsbedarf haben bzw. hatten,

  • welche anderen Geschäftskontakte Sie noch haben,

  • welche Dienstleistungen Sie selbst (oder Ihre Nachbarn, Bekannten, Freunde) vermissen oder

  • mit welchen Nischenprodukten Sie gern einen schwunghaften Handel betreiben würden (zum Beispiel via eBay oder Online-Shop),

  • welches Hobby Sie schon immer zum Beruf machen wollten

und so weiter, und so fort.

Machen Sie sich bewusst, was Sie zu bieten haben

Wenn Sie Lust haben, wieder etwas zu unternehmen, dann trauen Sie sich: Nach einer jahrzehntelangen engagierten Berufstätigkeit haben Sie so viel Wissen und Erfahrung angesammelt, dass Sie potenziellen Kunden eine Menge bieten können.

Wahrscheinlich ahnen Sie noch nicht einmal, wie attraktiv Sie zum Beispiel als selbstständiger Dienstleister für mögliche Auftraggeber sind! Als ausgewiesener Experte und Praktiker brauchen Sie Ihre wertvollen Berufserfahrungen bloß in passgenaue Aufträge umzuwandeln.

Besonders gefragt sind Sie im B2B-Geschäft: Ihre Auftraggeber müssen sich dann keinen Arbeitnehmer mit all seinen Sozialabgaben ans Bein binden. Sie erhalten die gewünschten Leistungen, bekommen eine Rechnung und bezahlen – fertig. Einfacher geht's nicht.

Lektüretipp: Zehn gute Gründe für Freie

Mit den vielen Vorteilen selbstständiger Dienstleister im Vergleich zu (angestellten) Arbeitnehmern beschäftigt sich unser Beitrag "Honorare: Als Freelancer sind Sie mehr Geld wert". Worauf Sie als nebenberuflich selbstständiger Ruheständler bei ihren Verhandlungen mit Kunden sonst noch achten sollen, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.

Das Risiko – ein Plädoyer gegen die Angst

Vorweg aber noch ein paar Worte zum Risiko selbstständiger Tätigkeiten. Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, möchte seine Altersversorgung verständlicherweise nicht durch ein, zwei schiefgelaufene freiberufliche Aufträge aufs Spiel setzen. Zum Glück ist diese Gefahr bei Menschen mit großer Lebens- und Berufserfahrung und ein wenig gesundem Menschenverstand verschwindend gering.

Das zeigen auch die Biografien der Millionen haupt- und nebenberuflich Selbstständigen ("Ich-AGs") und Kleingewerbetreibenden, die angesichts der zwischenzeitlich schwierigen Arbeitsmarktlage in den letzten Jahrzehnten eine Gründung gewagt haben. Zugegeben: Nicht allen ist es gelungen, ihre Geschäftsidee in eine dauerhaft tragfähige Lebensgrundlage für sich selbst und ihre Familien umzuwandeln. Aber die wenigsten von ihnen haben sich durch ihre Selbstständigkeit ruiniert – schon gar nicht, wenn sie sich rechtzeitig informiert und darauf verzichtet haben, Schulden zu machen oder den letzten Spargroschen in windige Projekte zu stecken.

Wenn Sie Einkünfte aus selbstständigen Tätigkeiten oder einem Kleingewerbe erzielen, brauchen Sie keine Angst vor dem Altersruin zu haben. Vor allem dann nicht, wenn Sie

  • Ihre private Altersvorsorge nicht für Investitionen aufs Spiel setzen,

  • Schulden vermeiden,

  • mit kleinen Dienstleistungs- oder Handels-Pilotprojekten einsteigen und Erfahrung sammeln,

  • windigen Ausbeutern aus dem Weg gehen,

  • die zahlreichen kostenlosen Informations- und Beratungsangebote für Selbstständige nutzen und

  • sich bei Verträgen und größeren Projekten gezielt professionelle Unterstützung holen.

Ansonsten: Lesen Sie diesen Leitfaden in Ruhe durch, fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben – und legen Sie einfach los! Welche Meldepflichten Sie im Einzelfall haben und ob eine Genehmigung erforderlich ist, erfahren Sie im Kapitel "Anmeldungen und Genehmigungen".

Und nicht vergessen: Die erzielten Einkünfte teilen Sie dem Finanzamt, der Renten- und Krankenkasse mit. Sobald bestimmte Gewinngrenzen überschritten sind, schmälern die Steuer- und Beitragszahlungen zwar Ihren Hinzuverdienst – aber das ist im Geschäftsleben nun einmal so. Verglichen mit den happigen Lohnabzügen eines Arbeitnehmers halten sich die Einbußen zum Glück in Grenzen.

Bitte beachten Sie: Je nachdem, welche Art der Altersversorgung Sie beziehen, kann sich ein Hinzuverdienst auch nachteilig auf Ihre laufenden Renten- und Pensionsansprüche auswirken. Mehr dazu gleich auf der nächsten Seite.

Es geht doch gar nicht um die "Existenz"

Überhaupt ist das Thema Selbstständigkeit hierzulande ausgesprochen angstbesetzt – Stichwort "Existenzgründung". Falls Sie Befürchtungen vor der gefährlichen Geschäftswelt hegen, sind Sie hierzulande in guter und zahlreicher Gesellschaft. Die sprichwörtliche "German Business-Angst" hat bei vielen Menschen Spuren hinterlassen.

Einmal abgesehen davon, dass dieser Begriff bei Rentnern und Pensionären ohnehin völlig unzutreffend ist: Wenn es immer gleich um die "Existenz" geht, darf man sich nicht wundern, wenn Gründungen geradezu als lebensbedrohlich empfunden werden. Keine Engländerin, kein Amerikaner, keine Französin und auch kein Italiener käme auf die Idee, einen geschäftlichen Neubeginn gleich mit der persönlichen Existenz zu verknüpfen.

Auch sprachlich tun sie das nicht: Der Einstieg in die berufliche Selbstständigkeit ist in der Sprache unserer Nachbarn schlicht ein "Geschäftsstart", eine "Geschäfts-Gelegenheit" oder einfach ein "neues Geschäft":

  • englisch: "Business start-up",

  • französisch: "Démarrage d'entreprise",

  • italienisch: "Start-up aziendale",

  • spanisch: "Empresas nuevas".

Von lebensbedrohlicher Existenzgründung keine Spur. Klar, auch Menschen in anderen Ländern können scheitern oder pleitegehen. Anderenorts sind die Menschen aber sehr viel weniger an der Möglichkeit des Misserfolgs oder Scheiterns orientiert. In einigen Ländern ist sogar die Kultur der zweiten Chance verbreitet, wie kürzlich sogar unsere Kanzlerin festgestellt hat.

Gewinnstreben verdirbt den Charakter?

Glauben Sie auch insgeheim, dass Gewinnstreben den Charakter verdirbt? Keine Sorge: Es geht auch ohne rücksichtslose Profitgier. Das weiß ich aus Erfahrung! Wie man als "Schaf unter Wölfen" in der vermeintlich rauen Geschäftswelt überlebt, können Sie im Beitrag "Im Geschäftsleben Mensch bleiben" nachlesen.

Zwischenfazit

Lassen Sie sich nicht gegen Ihren Willen aufs Altenteil abschieben, und warten Sie nicht darauf, dass Ihnen jemand den maßgeschneiderten Nebenjob präsentiert. Werden Sie aktiv, verwirklichen Sie Ihre Ideen, sorgen Sie für ein willkommenes finanzielles Zubrot – bleiben Sie aber flexibel genug, um bei Bedarf auch die entspannten Seiten des Ruhestands genießen zu können.

Mit anderen Worten: Machen Sie sich jetzt einmal einfach selbst zum Chef! So verbinden Sie das Angenehme mit dem Nützlichen und vermeiden den Rentner-Blues. Sie haben noch keine Aufträge? Macht nichts, daran lässt sich ja etwas ändern. (Wie, dazu kommen wir noch.) Außerdem macht bereits die Vorbereitung auf die Selbstständigkeit Spaß und weckt die Lebensgeister.

Übrigens: Auch Ihre Umgebung wird Ihre neu gewonnene Begeisterung und Vitalität bemerken. Sie werden sehen: So ein zweiter Karriere-Frühling steigert nicht nur das eigene Selbstbewusstsein. Auch das Ansehen und die soziale Anerkennung wachsen – selbstständige Menschen genießen Bewunderung, und das gilt unabhängig von der Lebensphase.

Andererseits: Wenn Sie nach der Lektüre dieses Leitfadens und/oder ersten Gehversuchen zu der Überzeugung kommen, dass die berufliche Selbstständigkeit doch nichts für Sie ist – auch gut! Versuch macht klug.

So oder so: Wir freuen uns, wenn Sie uns an Ihren Erfahrungen teilhaben lassen – schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@akademie.de.