Freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige: Reform 2011

Beiträge steigen drastisch

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Beiträge steigen drastisch

Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige hat sich während der vierjährigen Testphase bewährt. Das Gesetz wurde daher endlich über das Jahr 2010 hinaus unbefristet verlängert - allerdings zu spürbar verschlechterten Konditionen: Die monatlichen Versicherungsbeiträge steigen nach und nach auf das Vierfache, von unter 20 Euro auf über 75 Euro! Außerdem ist eine erneute Versicherung nach zweifacher Inanspruchnahme von Leistungen künftig unmöglich. Wir erläutern die Details der Neuregelung sowie die Folgen für Gründer und bereits Versicherte.

Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige ist seit Inkrafttreten des "Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt" (Beschäftigungschancengesetz, PDF, 469 KB) über 2010 hinaus verlängert worden. Gleichzeitig wurden wichtige Bestimmungen der Versicherung geändert. Die Bedingungen der "Pflichtversicherung auf Antrag" sind in § 28a SGB III geregelt.

Die Neuregeleung: Voraussetzungen und Anspruchsberechtigte

Die wichtigsten Eckdaten der Neuregelung im Überblick: Antragsberechtigt sind Selbstständige, ...

  • die nicht bereits aufgrund einer anderen Beschäftigung in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind,

  • deren selbstständige Tätigkeit mindestens 15 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt und

  • die innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Selbstständigkeit mindestens zwölf Monate pflichtversichert waren oder bis unmittelbar vor Beginn der Selbstständigkeit Arbeitslosengeld I (nicht zu verwechseln mit ALG II = "Hartz IV"!) bezogen oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) beschäftigt waren.

Neben Selbstständigen können auch Pflegepersonen und Auslandsbeschäftigte ein Pflichtversicherungsverhältnis beantragen. Der Versicherungsantrag (PDF, 260 KB) muss innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Selbstständigkeit gestellt werden. Bislang betrug diese Frist nur einen Monat.

Weiterhin keine Möglichkeit zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung haben Alt-Selbstständige, die in den letzten beiden Jahren keine 12 Monate Pflichtversicherung nachweisen können. Selbstständige hingegen, die sich zwischen 2006 und 2010 bereits für die freiwillige Arbeitslosenversicherung entschieden und regelmäßig Beiträge bezahlt haben, werden zu den neuen Konditionen weiterversichert - können bis zum 31. März 2011 aber auch ein Sonderkündigungsrecht wahrnehmen.

Keine Rückkehr in die Versicherung bei wiederholter Arbeitslosigkeit!

Den größten Nachteil bringt die Neuregelung für die Schwächsten: Freiwillig versicherte Selbstständige, die ihre Versicherung zweimal unterbrechen und währenddessen Arbeitslosengeld beziehen, können künftig keinen erneuten Aufnahmeantrag in die Arbeitslosenversicherung mehr stellen. Ein Antrag hat allenfalls dann ausnahmsweise Aussicht auf Erfolg, wenn der Selbstständige eine ganz "andere neue Tätigkeit" aufnimmt. Weitere Informationen hierzu finden Sie im Abschnitt "Zweifelsfragen".

So oder so: Von einer echten "Flautenversicherung", mit deren Hilfe sich Auftragslöcher abfedern lassen, kann jedenfalls keine Rede mehr sein!

Bitte beachten Sie: Wer vorübergehend eine hauptberufliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, darf seine zwischenzeitlich ruhende freiwillige Versicherung als Selbstständiger später durchaus wieder aufnehmen.

Schluss mit "Schnäppchen": Beitragsexplosion!

So erfreulich die Entfristung der freiwilligen Versicherung grundsätzlich ist: Die Beiträge explodieren geradezu! Der Pferdefuß der Neuregelung findet sich in § 345b SGB III (neue Fassung!), in dem als Beitragsbemessungsgrundlage künftig generell 100 % der monatlichen Bezugsgröße (statt bislang 25 %) festgelegt sind!

Bezugsgröße!? Beitragssatz!?

Bei der Bezugsgröße handelt es sich um das durchschnittliche statistische Bruttoeinkommen deutscher Arbeitnehmer, das im Jahr 2011 bei monatlich 2.555 Euro (West) bzw. 2.240 Euro (Ost) liegt. Der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung steigt im Jahr 2011 von zuletzt 2,8 % auf 3 %.

Um den gravierenden Beitragssprung ein wenig zu dämpfen, wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung laut § 434u SGB III (neue Fassung) für alle freiwillig Versicherten zunächst auf Basis der halben monatlichen Bezugsgröße ermittelt. Existenzgründer haben über 2011 hinaus im Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit und dem darauf folgenden Kalenderjahr Anspruch auf diese Vergünstigung. Für alle anderen Versicherten gilt dann ab 2012 die volle Bezugsgröße als Berechnungsgrundlage.

Zum Vergleich: Auf Basis der monatlichen Bezugsgrößen und dem allgemeinen Beitragssatz des Jahres 2011 zur Arbeitslosenversicherung ergibt sich folgende Beitragsentwicklung:

2010

2011 ¹

2012 ¹

neue Bundesländer

15,19 Euro

33,60 Euro

67,20 Euro

alte Bundesländer

17,98 Euro

38,25 Euro

76,65 Euro

¹ Bemessungsgrundlage: Monatliche Bezugsgröße und allgemeiner Beitragssatz, Stand 2011

Und die Beiträge werden wohl weiter steigen:

Da die monatliche Bezugsgröße regelmäßig angehoben wird, ist damit aber längst noch nicht das Ende der Beitrags-Fahnenstange erreicht. Zusätzliche Beitragssteigerungen ergeben sich durch Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung, der nach einem zwischenzeitlichen historischen Tief von 2,8 % ja im Jahr 2011 bereits wieder auf 3 % gestiegen ist. Angesichts der chronischen Haushaltsengpässe der Bundesagentur sind weitere Beitragsanhebungen keineswegs ausgeschlossen.