Geldwerte Schlussbestimmungen in Verträgen

Musterklausel 6 - Heilung

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Musterklausel 6 - Heilung

Selbst Fachleuten können bei der Vertragsgestaltung Fehler unterlaufen. Und selbst wenn der Vertrag im Augenblick der Unterzeichnung fehlerfrei war, kann er später durch Änderungen tatsächlicher Umstände oder der Rechtslage fehlerhaft werden. In einer Heilungsklausel (auch salvatorische Klausel genannt) können die Vertragsparteien bestimmen, was in diesem Fall mit der betroffenen Vertragsbestimmung und mit dem Vertrag als Ganzem geschehen soll.

  • Problem:

    Die A GmbH und die B GmbH schließen am 1.7.2009 einen Vertrag über die Lieferung einer Multifunktionsmaschine "Z725Alpha". Nach Vertragsunterzeichnung, jedoch vor Lieferung stellt sich heraus, dass die Z725Alpha unbeabsichtigt ein fremdes Patent verletzt. Die B GmbH gestaltet daher die Maschine rechtzeitig um. Die geänderte Z725Alpha hat nunmehr nur noch acht statt zuvor zehn Funktionen. Die B GmbH bietet der A GmbH eine angemessene Kaufpreisreduktion an und will am vereinbarten Lieferdatum liefern. Wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung der eigenen Auftragslage will die A GmbH aber die geänderte Maschine nicht mehr abnehmen und bezahlen.

    Die B GmbH vermutet Kaufreue. Die zwei entfallenen Funktionen seien für die A GmbH bei Vertragschluss ohnehin bedeutungslos gewesen. Die A GmbH hält dagegen, im Vertrag seien die technischen Spezifikationen für die zu liefernde Z725Alpha klar festgelegt. Die B GmbH könne die vertraglich geschuldete Maschine überhaupt nicht liefern, weil sie sonst ein fremdes Patent verletze; gerade deshalb habe sie ja die technischen Spezifikationen einseitig und vertragswidrig geändert. An einer Anpassung des Vertrages müsse und werde die A GmbH nicht mitwirken; sie erklärt den Vertrag deshalb für "hinfällig".

    Ob die geänderte Maschine ihrem Wesen nach eine andere Maschine ist oder eine wesensgleiche Maschine, die unter einem Mangel leidet, ist schwer zu beurteilen. Welche Bedeutung die entfallenen Funktionen für die A GmbH wirklich hatten, kann die B GmbH schwerlich beweisen.

    Der Vertrag sieht für einen solchen Fall keine Lösung vor, weil bei Vertragsschluss keine der Vertragsparteien an einen solchen Fall gedacht hat.

    Die A GmbH lässt sich nicht auf weitere Verhandlungen ein; für sie sei die Angelegenheit erledigt. Überdies werde sie künftig andere Hersteller von Multifunktionsmaschinen berücksichtigen.

    Die Parteien haben einen Konflikt, der durch Vertragsgestaltung vermeidbar gewesen wäre.

    Oder:

    Die Parteien schließen am 20.8.2009 einen Vertrag über die Lieferung und Wartung zweier Weckglasreaktoren "WGFR Miracle 2440 ZE". Nach Vertragsschluss und Lieferung, jedoch noch während der vertraglichen Wartungsperiode wird die Anwendbarkeit der "Dritten Zusatzverordnung über den Einsatz kalter Fusionsreaktoren in öffentlichen Einrichtungen" gesetzlich auf private Einrichtungen wie den Antigravitationsvergnügungspark der A GmbH ausgeweitet. Hierdurch erhöht sich der Zeit- und Kostenaufwand der Wartung für die B GmbH um fünf Prozent. Die B GmbH berechnet der A GmbH daher fortan eine um fünf Prozent erhöhte Wartungsgebühr.

    Die A GmbH weist die Erhöhung unter Berufung auf den Vertrag zurück. Im Vertrag sei die Höhe der Wartungsgebühr klar festgelegt. Erhöhungen seien an den allgemeinen Verbraucherpreisindex gekoppelt, dieser sei zwischenzeitlich nicht gestiegen. Die B GmbH hält dagegen, die Gesetzesänderung betreffe weniger sie als Wartungsgeberin, sondern vielmehr die A GmbH als Betreiberin der Parks, weil diese ohne Wartung nicht betrieben werden dürften.

    Der Vertrag sieht für einen solchen Fall keine Lösung vor, weil bei Vertragsschluss keine der beiden Vertragsparteien an einen solchen Fall gedacht hat.

    Die A GmbH ist jedoch auch zu einer hälftigen Teilung des erhöhten Wartungsaufwandes nicht bereit. Sie bezahlt die vertraglich vorgesehene Wartungsgebühr und kündigt an, künftig andere Wartungsfirmen zu berücksichtigen. Die Parteien haben einen Konflikt, der durch Vertragsgestaltung vermeidbar gewesen wäre.

  • Lösung:

    Eine Heilungsklausel sieht vor, dass die Vertragsparteien in einem solchen Fall den Vertrag im Sinne des ursprünglich verfolgten Vertragszweckes anpassen müssen.

Die entsprechende Vertragsbestimmung könnte wie folgt lauten:

Die Unwirksamkeit, Undurchsetzbarkeit oder Lückenhaftigkeit einzelner Bestimmungen oder Teile dieses Vertrages soll die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dieses Vertrages im Übrigen nicht berühren. Jede unwirksame, undurchsetzbare oder lückenhafte Bestimmung soll, soweit rechtlich zulässig, durch diejenige Bestimmung ersetzt werden, welche dem am nächsten kommt, was die Parteien in Ansehung von Zweck und Bedeutung dieses Vertrages beabsichtigten und bei Abschluss dieses Geschäftes vereinbart hätten, hätten sie dabei die Unwirksamkeit, Undurchsetzbarkeit oder Lückenhaftigkeit bedacht. Für einen solchen Fall verpflichten sich die Parteien, diesen Vertrag gemeinsam zu ändern, um solchen Fällen in nächstmöglicher Übereinstimmung mit dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen, undurchsetzbaren, lückenhaften oder fehlenden Bestimmungen und ihrer Übereinkunft im Ganzen Rechnung zu tragen.

In englischer Sprache:

The invalidity, unenforceability, or incompleteness of any provision, or portion of, this Agreement shall not affect the validity and enforceability of the remaining provisions. Any invalid, unenforceable, or omitted provision shall, to the extent permitted by law, be replaced by such provision as comes closest to what the Parties intended in accordance with the meaning and purpose of this Agreement and would have agreed upon if the Parties had considered such invalidity, unenforceability, or incompleteness when entering into this transaction. In such a case the Parties agree that they will co-operate to amend this Agreement to reflect any such matter in the closest possible coherence with the economic purpose of the invalid, unenforceable, incomplete, or missing provision and their overall agreement.

Vertragsgestaltungstipp: Zahlenmäßige Bestimmung von Daten, Zeiträumen, Mengen, Gewichten usw.

Bei der zahlenmäßigen Bestimmung von Daten, Zeiträumen, Mengen, Gewichten usw. können leicht Fehler unterlaufen.

Haben die Parteien zum Beispiel ein bestimmtes Datum im Vertrag bezeichnet, jedoch ein anderes Datum gemeint, ist eine Auslegung des Vertrages gegen dessen ausdrücklichen und eindeutigen Wortlaut erforderlich. Dies kann im Streitfall der Partei, die für das wirklich gemeinte Datum beweispflichtig ist, den Beweis unmöglich machen.

Enthält der Vertrag umfangreiches Zahlenmaterial, etwa Tabellen zu Liefermengen und -daten zahlreicher Produkte oder technische Spezifikationen, kann es sich empfehlen, der Klarstellung halber in die Heilungsklausel einen Passus aufzunehmen, wonach die Heilungsklausel ausdrücklich auch für derartige Informationen gelten soll.

Beispiel:
"... oder Lückenhaftigkeit bedacht. Dies gilt ebenfalls für die Bestimmung von Rechten oder Pflichten nach Zeitpunkten, Zeiträumen, Mengen, Maßen und Gewichten."

"... when entering into this transaction. This shall also apply to the identification of rights or duties in terms of time (dates or periods of time), volumes, and weights and measures."

Vertragsgestaltungsfalle: geplante Lücken

Beachten Sie, dass die Klausel nur die planwidrige Lückenhaftigkeit, Fehlerhaftigkeit oder Unwirksamkeit betrifft. Nicht erfasst ist die planvolle Lückenhaftigkeit, Fehlerhaftigkeit oder Unwirksamkeit. Das bedeutet, dass die Heilungsklausel nicht greift,

  • wenn die Parteien einen Punkt bewusst vollständig und abschließend geregelt haben,

  • oder wenn sie einen Punkt bewusst offen gelassen haben,

  • oder wenn sie sehenden Auges einen unwirksamen Vertrag geschlossen

  • oder einverständlich im Vertrag falsche Angaben gemacht haben.