Warum Selbstständige so oft am eigenen Erfolg zweifeln

Eine kleine (Miss-) Erfolgsgeschichte

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Eine kleine (Miss-) Erfolgsgeschichte

Meine eigene (Miss-)Erfolgsgeschichte

Wie ich im Beitrag "Schaf unter Wölfen?" schon schrieb: Als Beamtensohn habe ich das Unternehmer- oder gar Abenteurertum wahrlich nicht mit der Muttermilch eingesogen. Dass ich mich vor mehr als 15 Jahren dann doch selbstständig gemacht habe, lag nicht etwa daran, dass ich spektakuläre Gewinne machen und Reichtümer ansammeln wollte. Ich gehöre, um ehrlich zu sein, zu den Zeitgenossen, die zwar gern arbeiten, aber ungern Selbstmarketing betreiben. Das erwähnte Motto "Geld ist nicht so wichtig!" war lange Zeit Teil meiner eisernen Glaubensration.

Die Gründung meines Projektbüros hatte auch nicht etwa damit zu tun, dass ich unendlich viele geniale Ideen hatte, an deren Umsetzung ich ständig von unfähigen Kollegen oder Vorgesetzten gehindert worden war. Autoritätsprobleme und unbändiges Freiheitsstreben waren ebenfalls nicht mein Motiv. Genau genommen war meine Existenzgründung wie bei so vielen neuen Selbstständigen eher eine Notlösung: Eine Beschäftigung als Arbeitnehmer, die zu meinen Qualifikationen und meiner familiären Situation gepasst hätte, fand ich damals in der näheren Umgebung einfach nicht.

Die zwei Seiten der Medaille: Selbstständigen-Freud ...

Weil meine Frau als Beamtin schon damals ein sicheres Gehalt nach Hause brachte, lag die Überlegung recht nahe, mir selbst einen "Arbeitsplatz nach Maß" zu schaffen. Das mag im Rückblick einfach klingen. Für mich war es anfangs aber schon ein "Erfolg", dass ich ...

  • den Sprung ins kalte Wasser überhaupt gewagt hatte,

  • damit bewies, dass ich meine Arbeitskraft auch eigenständig vermarkten konnte,

  • erste Kunden fand, meine ersten Rechnungen schrieb und

  • diese Rechnungen auch tatsächlich bezahlt wurden!

Auf diese Liste meiner Erfolgserlebnisse als "Jungunternehmer" gehört auch die Erfahrung, die zahlreichen Hürden der Selbstständigkeit kennengelernt und überwunden zu haben: Das fing bei der Honorarkalkulation an und setzte sich über das Rechnungschreiben und die Umsatzsteuervoranmeldung bis hin zur ersten Einnahmenüberschussrechnung fort.

Echte Erfolgserlebnisse stellten auch die Anerkennung von Geschäftspartnern für meine Arbeit dar und die Erfahrung, dass ich mich dafür nicht verbiegen musste. Ganz besonders wichtig war mir der Umstand, dass ich Beruf und Privatleben verbinden konnte: Wenn unser Sohn aus der Schule kam, krank war (was zum Glück selten vorkam) oder Ferien hatte, konnte ich im Heimbüro arbeiten. Außerdem war es eine überraschend erfreuliche Erfahrung, im vermeintlich harten Wirtschaftsleben vorwiegend positive und erfreuliche Erfahrungen mit Kunden und Geschäftspartnern zu machen.

... und Selbstständigen-Leid

Es gab aber auch eine Menge weniger erfreuliche und gar nicht besonders erfolgreiche Seiten:

  • Weil ich so vorsichtig einstieg, war meine Auslastung zunächst sehr niedrig.

  • Ich musste mich zwar nicht nach Chefs und Kollegen richten - dafür aber nach Kunden. Und das nicht selten abends und am Wochenende.

  • Die Trennung von Beruf und Freizeit ist mir jahrelang nicht richtig gelungen.

  • Gemessen an Qualifikation und Aufwand war mein Einkommen anfangs viel zu gering: Es gab Zeiten, da hätte ich mir aus meinen betrieblichen Rücklagen noch nicht einmal einen neuen Computer kaufen oder eine größere Geschäftsreise machen können.

  • Abgesehen vom Abtragen der Eigenheimhypothek war an eine Altersvorsorge oder an das Bilden privater Rücklagen lange Zeit nicht zu denken.

Von der angeblich so großartigen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in der Selbstständigkeit habe ich in den ersten Jahren auch herzlich wenig gemerkt: Wenn nicht gerade Aufträge abzuarbeiten oder an Land zu ziehen waren, musste ich mich dauernd um etwas anderes kümmern: Buchführung, Steuern, Einkäufe, störrische Technik, Weiterbildung und, und, und ... (Dummerweise hilft einem Solo-Unternehmer selbst die noch so gut ausgebildete Fähigkeit zum Delegieren wenig weiter.)

Mut zum Umsteuern: So viel Freiheit muss sein!

Zum Glück hatte ich in mehr als 15 Jahren aber auch immer wieder die Möglichkeit, auf Schieflagen zu reagieren und Chancen zu ergreifen, die sich anboten. So habe ich ...

  • ... bei Stammkunden zeitweise als "fester Freier" und sogar nebenberuflich als Angestellter gearbeitet (ohne das als "Scheitern" meiner Selbstständigkeit zu betrachten).

  • ... nach dem Platzen der (ersten) Internetblase aus meinem "Projektbüro"-Bauchladen nach und nach ein reines Redaktionsbüro gemacht.

  • ... meine finanziellen Glaubenssätze gründlich überprüft und inzwischen dafür gesorgt, dass ich endlich "verdiene, was ich verdiene".

  • ... immer öfter die Unterstützung externer Dienstleister in Anspruch genommen und mich gleichzeitig um meine eigenen (lukrativeren) Aufträge gekümmert.

  • ... mein Heimbüro vorübergehend gegen ein externes Büro eingetauscht, um endlich wieder einmal richtig Feierabend machen zu können.

  • ... dabei gelernt, viel konzentrierter und ergebnisorientierter zu arbeiten (woraufhin ich mir ein paar Jahre später den Luxus leisten konnte, wieder ins Homeoffice umzuziehen).

  • ... es nach und nach geschafft, geregelte Pausen, gesunde Mahlzeiten und Bewegung an frischer Luft in meinem Arbeitstag unterzubringen und regelmäßig in Urlaub zu fahren. Im vergangenen Jahr habe ich mir sogar ein "Teilzeit-Sabbatical" geleistet.

  • ... mich darin geübt, meine Arbeit bei schönem Wetter, während der Fußball-WM oder einem anderen Event auch einmal ohne schlechtes Gewissen am helllichten Tag liegen zu lassen. Dann koste ich die viel gerühmte Freiheit eines Selbstständigen tatsächlich auch mal aus.

  • ... die Wertschätzung von Kunden und Lesern zu genießen - ohne deshalb gleich wieder in Hamsterrad zu springen. Und wenn Schulterklopfern und Bauchpinselei ausbleiben, leide ich trotzdem nicht unter Entzugserscheinungen.