Bisher angestellt, jetzt für den Chef auf Rechnung arbeiten?

Vom Arbeitnehmer zum selbstständigen Auftragnehmer derselben Firma: Ist das legal? Und lohnt sich das?

Macht es Sinn, vom Angestellten eines Unternehmens zu dessen Auftragnehmer zu werden und die gleiche Arbeit nunmehr selbstständig zu erledigen? Die Probleme reichen vom Problem der Scheinselbstständigkeit bis zur Kalkulation dessen, wass dem Arbeitnehmer unter dem Strich bleibt, wenn er "auf Rechnung" arbeitet.

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Freie Mitarbeiter sind für Unternehmen billiger und pflegeleichter als Arbeitnehmer. Kein Wunder, dass manche Arbeitgeber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten versuchen, ihren Angestellten den Wechsel in die Selbstständigkeit schmackhaft zu machen. Wir erläutern, wo die Grenze zur Scheinselbstständigkeit verläuft und zeigen, warum es aus Sicht von Arbeitnehmern normalerweise kein gutes Geschäft ist, "auf Rechnung" zu arbeiten.

Viele Tätigkeiten, zumal die besonders qualifizierten, können ebenso gut von Angestellten wie von selbstständigen Dienstleistern ausgeübt werden.

Besonders offenkundig ist das bei den klassischen freien Berufen: So arbeiten zum Beispiel Rechtsanwälte, Architekten, Ärzte oder Journalisten mal als Arbeitnehmer, mal als Auftragnehmer. Und auch der sozialversicherungsrechtliche Statuswechsel ist seit eh und je an der Tagesordnung: Dass ein zuvor fest angestellter Journalist einer Zeitung zum freien Mitarbeiter mutiert (oder umgekehrt), ist ja nicht ungewöhnlich.

Selbst eine Kombination von Arbeitnehmer- und Auftragnehmerstatus ist nicht ausgeschlossen. So spricht zum Beispiel grundsätzlich überhaupt nichts dagegen, wenn die hauptberuflich angestellte Kindergärtnerin sich nach Feierabend als nebenberuflich selbstständige Webdesignerin gegen Honorar um die Homepage des Kindergartens kümmert.

Zum Weiterlesen: Zusatzeinkommen und Selbstverwirklichung durch nebenberufliche Selbstständigkeit

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"Genau rechnen" lautet die Devise, wenn Sie dieselbe Arbeit nun auf einmal als Selbstständige/r und nicht mehr angestellt ausführen sollen. Und außerdem: Genau hinschauen.

Was zu beachten ist, wenn Sie zusätzlich einer hauptberuflichen Beschäftigung selbstständige Nebeneinkünfte erzielen, erfahren Sie im großen Praxisleitfaden "Nebenberufliche Selbstständigkeit".

Unterscheidungskriterien: Abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig?

Der Unterschied zwischen einer sozialversicherungspflichtigen "Beschäftigung" gemäß § 7 SGB IV und einer selbstständigen Tätigkeit liegt weniger in der Art oder Bezeichnung der Tätigkeit. Auch auf die Vereinbarungen im zugrunde liegenden Arbeits- bzw. Dienstvertrag kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen (Kräfte-)Verhältnisse der Kooperation - insbesondere im Hinblick auf ...

  • die Abhängigkeit des Mitarbeiters von Weisungen des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers und

  • den Grad der Einbindung in die betrieblichen Abläufe.

Der sozialversicherungsrechtliche Status von Mitarbeitern wird vom Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung (DRV, vormals BfA) beurteilt, der die Untersuchung im Auftrag der übrigen Sozialversicherungsträger vornimmt. Im Schnitt alle vier Jahre werden die Beschäftigungs- und Auftragsverhältnisse deutscher Arbeitgeber vor Ort unter die Lupe genommen.

Besonders pingelig sind die Prüfer erfahrungsgemäß immer dann, wenn ein zuvor abhängig Beschäftigter ins Selbstständigen-Lager gewechselt ist.

Berufe-Liste der DRV

Eine illustrative Liste exemplarischer Berufsgruppen mit zahlreichen Berufen und Tätigkeiten enthält der "Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit", der auf der DRV-Website zum Download bereitsteht (PDF, 92 KB).

Bitte beachten Sie: Die dort genannten Abgrenzungskriterien stellen die Rechtsauffassung der DRV dar und sind nicht allgemein verbindlich. Als Anschauungsmaterial zur Abgrenzung von "Beschäftigung" und "Selbstständigkeit" sind die Erläuterungen gleichwohl hilfreich.

Risiken und Nebenwirkungen

Wird festgestellt, dass die Zusammenarbeit doch den Charakter einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hat, dann kommt rechtlich gesehen rückwirkend (wieder) ein Arbeitsverhältnis zustande.

Für diese Phase einer Scheinselbstständigkeit ergeben sich dann natürlich Sozialversicherungsbeiträge und Steuerpflichten. Für diese muss in dem Fall der Arbeitgeber aufkommen.

Dieser kann gegen die Einstufung des DRV-Prüfdienstes vor das zuständige Sozialgericht ziehen. Bei Bedarf können Auftraggeber/Arbeitgeber und Auftragnehmer/Arbeitnehmer aber auch jederzeit ein offizielles Statusfeststellungsverfahren bei der DRV beantragen. Das Verfahren wird durch eine verbindliche Entscheidung in Form eines Bescheides abgeschlossen. Gebühren fallen nicht an.

Zum Weiterlesen: Scheinselbstständigkeit unter der Lupe

Die Gretchenfrage: Wem nützt es wirklich?

Aus Sicht eines Auftragnehmers hält sich das Risiko einer Scheinselbstständigkeit auf den ersten Blick also in Grenzen - Nachzahlungen treffen ja im Falle eines Falles vor allem den Chef bzw. Auftraggeber.

Das sollte Sie aber keinesfalls dazu verleiten, leichtfertig auf das unverhoffte Angebot eines Arbeitgebers einzugehen, Ihren Arbeitsvertrag aufzulösen und stattdessen künftig als freier Mitarbeiter zu arbeiten.

Denn bei der Scheinselbstständigkeit geht es ja nun einmal nicht nur um die Eigeninteressen der Sozialbürokratie, auch wenn die ihr Beitragsaufkommen mit Zähnen und Klauen verteidigt. Die Sozialgesetze haben auch die Funktion, Arbeitnehmer vor der Übermacht kapitalstarker Unternehmer zu schützen und für eine zumindest elementare Absicherung bei Unfall, Krankheit, Arbeitslosigkeit, im Alter und bei Pflegebedürftigkeit zu sorgen sowie für Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz.

Vielleicht verspricht Ihnen Ihr Arbeitgeber eine hohe Auslastung, stellt Ihnen in Aussicht, zusätzlich zum bisherigen Bruttogehalt den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung "mitzuverdienen" und lässt Ihnen obendrein bei der Erledigung der Arbeit alle unternehmerischen Freiheiten. Trotzdem machen Sie normalerweise ein schlechtes Geschäft:

  • Sie bekommen Ihr Geld nur noch für produktive Zeiten oder fertige Arbeitsergebnisse: Die schiere Anwesenheit genügt nicht mehr - und zwar auch dann, wenn Sie nichts dafür können, dass nichts zu tun ist.

  • Sie verlieren Ihren Kündigungsschutz: Wer sagt Ihnen, dass die versprochenen Aufträge bei ungünstiger Wirtschaftslage weiter sprudeln?

  • Bei langjähriger Betriebszugehörigkeit verzichten Sie unter Umständen auf eine hohe Abfindung, die Ihnen bei einer Kündigung oder einem freiwilligen Ausscheiden zustände.

  • Auf jeden Fall verlieren Sie Ihren Anspruch auf bezahlten Urlaub, ggf. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und sämtliche anderen betrieblichen Sozialleistungen: Solche Vergünstigungen muss Ihr Arbeitgeber Ihnen künftig sogar vorenthalten, will er sich nicht von vornherein dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit aussetzen.

  • Sie sind selbst für die Ausstattung Ihres Arbeitsplatzes verantwortlich - angefangen beim Kugelschreiber über den Schreibtischstuhl und die Hard- und Software bis hin zum Geschäftswagen.

  • Sie müssen sich um sämtliche Steuer-, Versicherungs- und Verwaltungsaufgaben künftig allein kümmern - und haften auch dafür!

  • Sie selbst sind für Weiterbildungen und die Personalentwicklung in eigener Sache zuständig.

Haben Sie sich gefragt, warum Ihnen Ihr Chef das "unwiderstehliche" Angebot gemacht hat? Nun wissen Sie's: Arbeitgeber lieben freie Mitarbeiter! Im Vergleich zur Beschäftigung von Angestellten sind die Personalfixkosten und der Verwaltungsaufwand minimal, die Arbeitnehmer-Schutzrechte greifen nicht und obendrein sind Qualifikation, Engagement und Motivation "hungriger Freier" durchweg höher.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Um Missverständnissen vorzubeugen: Für den Wechsel vom Arbeitnehmer zum Auftragnehmer kann es sehr wohl gute Gründe geben - unter Umständen sogar beim bisherigen Arbeitgeber: So werden bei Großunternehmen und Unternehmensfusionen gelegentlich zentrale Vorgaben über den vereinbarten Personalabbau durch Umwandlung der Arbeitsverträge bewährter Fachkräfte in Dienstleistungs- und Beraterverträge umgangen.

Doch auch und gerade dann gilt: Bevor Sie sich auf die Umwandlung eines Arbeitsvertrages in einen Dienstvertrag einlassen, sollten Sie sich unbedingt fachkundigen Rat holen - zum Beispiel bei Ihrem Berufsverband oder Ihrer Gewerkschaft. Mit allgemeinen Fragen können Sie sich auch an das Bürgertelefon "Arbeitsrecht" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wenden (Tel.: 01805 / 67 67 13; Festnetzpreis: 14 Cent/Min.) Die Hotline ist von montags bis donnerstags zwischen 8.00 und 20.00 Uhr zu erreichen.

Lob der (wahren) Selbstständigkeit

Abgesehen von den durchsichtigen Versuchen mancher Arbeitgeber, sich der Verantwortung für ihre Arbeitnehmer zu entziehen, gibt es viele Fälle, in denen die Initiative für den Statuswechsel von "angestellt" zu "selbstständig" vom Arbeitnehmer ausgeht. Schließlich hat die Selbstständigkeit viele Vorteile: Entsprechende Qualifikationen, Marktkenntnisse und einen durchdachten Geschäftsplan vorausgesetzt, kann sie mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Flexibilität und sogar mehr Einkommen bringen.

All das ist jedoch nur dann möglich, wenn die Selbstständigkeit aus eigenem Entschluss heraus, sehenden Auges und mit allen Konsequenzen in Angriff genommen wird.

Das beginnt bereits bei einer seriösen Angebotskalkulation: Worauf Sie dabei achten sollten, können Sie im Beitrag "Raus aus der Angestellten-Perspektive: Selbstständige Dienstleister brauchen tragfähige Honorare" nachlesen. Alle weiteren Informationen zum Thema Selbstständigkeit finden Sie in unserer Rubrik "Existenzgründung": Dort finden Sie viele umfangreiche Grundlagenkurse und Infopakete sowie zig Praxistipps und aktuelle Informationen.

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Fazit

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen den Wechsel in die Selbstständigkeit anbietet, Sie anschließend aber faktisch unverändert dieselben Aufgaben erledigen sollen, für die Sie zuvor als Arbeitnehmer zuständig waren, handelt es sich weiter um eine (abhängige) Beschäftigung.

Wird eine Beschäftigung in Form einer selbstständigen Tätigkeit abgerechnet, führt das zur Scheinselbstständigkeit. Dabei kommt es nicht auf die Absicht der Beteiligten, geänderte Vertragsbedingungen oder Aufgabenbeschreibungen an, sondern auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit und die Einbindung in den Betrieb des Auftrag-/Arbeitgebers.

Strafbar machen Sie sich damit zwar nicht und das Hauptrisiko geht zulasten des Arbeitgebers. Um ein gutes Geschäft handelt es sich für Sie aber trotzdem selten, weil Sie auf alle Rechte und Vergünstigungen eines Angestellten verzichten: Trau, schau wem!