Psychische Gesundheit

Was ist psychische Gesundheit?: Eigene Bedürfnisse wahrnehmen

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Eigene Bedürfnisse wahrnehmen

Wer kennt nicht die Erkältung, die Migräne oder die Rückenschmerzen, die genau dann kommen, wenn man sie eigentlich nicht braucht? Nun, "uneigentlich" kann man sie durchaus gebrauchen. Der Körper und damit auch die Seele rufen nach einer Auszeit, die man sich sonst nicht genommen hätte. Die Auszeit vom Stress tut gut - auch dann, wenn der Gedanke an die anfallende Arbeit uns fast verrückt macht.

Viele Menschen können die Krankheitszeit, diese Zeit "im Nebel", sogar ein bisschen genießen. Die Alltagssorgen sind lahmgelegt, es zählt nur noch, sich selbst zu pflegen. Die Grippe kann auf eine gewisse Art wieder "erden". Die verstopfte Nase freizubekommen ist auf einmal wichtiger, als die Präsentation perfekt zu gestalten. "Gut genug tut's auch", ist dann die Devise. Eine kurze, heftige Krankheit lässt zu hohe Ansprüche auf ein Normalmaß schrumpfen und führt uns in normales Fahrwasser zurück.

Andere körperliche Beschwerden, wie zum Beispiel Rückenschmerzen, erinnern uns vielleicht längere Zeit daran, dass wir gerade "eine große Last zu tragen haben". Eine akute Migräne-Attacke hingegen ist die Erlaubnis dafür, sich endlich einmal in seine Höhle zurückzuziehen und die Welt draußen zu lassen.

Doch brauchen wir erst körperliche Symptome, um unserem Wunsch nach Rückzug nachzugeben? Ist die Migräne wirklich nötig, um sich endlich einmal zu erlauben, ein paar Stunden oder Tage in die dunkle Höhle zu entschwinden? Wer frühzeitig auf seine Bedürfnisse achtet und sich selbst versorgen kann, der muss es nicht so weit kommen lassen.

Krankheiten haben generell auch eine psychosomatische Komponente; wiederkehrende kleine Beschwerden kann man evtl. also seelischen Schwierigkeiten zuordnen. Bei schweren und lebensbedrohlichen Krankheiten spielen jedoch andere Einflüsse, wie Gene, Alter, Ernährung, Schadstoffe u. ä. die größere Rolle. Niemand ist "selbst schuld" an einem Tumor!

Wenn wir ein gutes Gespür dafür haben, wann wir Ruhe, Nähe, Freiraum, Bestätigung oder Urlaub nötig haben und entsprechend handeln, so dass diese Bedürfnisse gestillt werden, haben wir ein wesentliches Merkmal psychisch gesunden Handelns erfüllt.

Leider schaffen wir es oftmals nicht, Halt zu machen und unseren Bedürfnissen nachzukommen. Zu viele Verpflichtungen warten darauf, erfüllt zu werden. Wir glauben, keine Rechtfertigung für unser Bedürfnis zu haben - menschliche Bedürfnisse brauchen jedoch keine Rechtfertigung. Langfristig riskiert man seine körperliche und psychische Gesundheit, wenn man seine Bedürfnisse ignoriert.

Wenn wir uns selbst nachgeben, sieht das beispielsweise so aus: "Ich bemerke, dass es mir zu viel wird und dass ich eine Pause brauche. Ich erlaube mir, mich jetzt zurückzuziehen, bevor meine Kopfschmerzen mich dazu zwingen."

Eventuell muss man seine Bedürfnisse auch gegen die anderer Menschen durchsetzen. In den allermeisten Fällen hat das Umfeld jedoch Verständnis, wenn man ehrlich sagt, dass man eine Pause braucht. Sie selbst sollten Ihren Mitmenschen das gleiche Verständnis entgegenbringen.

Sich einmal Ruhe zu nehmen, kann auch Verzicht bedeuten. Wir müssen eine Entscheidung treffen zwischen dem Telefongespräch mit der Freundin oder der Arbeit, die noch getan werden kann. Wir müssen uns entscheiden zwischen dem Kinobesuch und einem Geschäftsessen. Das bedeutet, dass wir uns klar werden, dass beides oftmals eben nicht geht. Die Präsentation wird nicht perfekt, wenn ich eine Stunde Arbeitszeit daran kappe. Aber wenn ich das bewusst in Kauf nehme, weil mir der Abend mit der Freundin wichtiger ist, dann habe ich das Steuer in der Hand. Der Verzicht mag schmerzlich sein. Aber er macht es mir möglich, meinem Bedürfnis nach mehr Freiraum nachzukommen.

Achten Sie auf die Signale des Körpers

Wer auf seinen Körper hört, weiß oft auch, was die Psyche sagen will. Nicht selten kommt es gerade vor größeren Entwicklungsschritten zu einer körperlichen Erkrankung. Man sollte sich hier die Ruhe gönnen, die man braucht, um sich auf sein eigentliches Problem zu besinnen. Das heißt nicht, dass man seine Arbeit unverzüglich einstellen muss. Wichtig ist, seine Bedürfnisse wahr- und ernstzunehmen. Man kann sich beispielsweise selbst versprechen, sich bald eine Auszeit zu gönnen.
Strafen Sie sich dafür nicht selbst mit Sätzen wie: "Warum bin ich schon wieder erkältet, schon wieder müde und unkonzentriert?" Es ist so, weil Sie eben ein Mensch sind. Schwäche gehört genauso zum Berufsleben wie die Stärke und gerade weil Sie viel Energie in den Beruf stecken, sind Sie manchmal abgespannt.

Nicht unnötig hetzen

"Entschleunigung" ist zu einem festen Begriff unserer Zeit geworden. Wir selbst sollten uns täglich kleinere und größere Freiräume und "Ruheinseln" schaffen, in denen nicht die Anforderungen anderer, sondern unsere Bedürfnisse "die erste Geige spielen". Wir selbst können alle daran arbeiten, diese hektische Zeit langsamer und ruhiger zu gestalten.

Wer schon länger im Berufsleben steht macht die Erfahrung, dass längst nicht alle Dinge so eilig sind wie sie scheinen. Meistens kommt man mit einer ruhigen und bedachten Arbeitsweise weit schneller zum Ziel als mit übertriebener Hektik. Üben Sie sich also darin, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Wenn Ihnen Zeitknappheit und nahende Deadlines dennoch immer wieder zu schaffen machen, sollten Sie sich in ein paar ruhigen Stunden einmal Gedanken machen, wo Sie Ihre Arbeitsprozesse optimieren können. Fragen Sie sich auch hier immer: "Wie kann ich meine Arbeitsabläufe entsprechend meinen Neigungen und Bedürfnissen gestalten?" Denn entspannt arbeiten wir einfach besser als unter ständigem Stress.