Selbstvertrauen gewinnen und stärken als Selbstständiger

Selbstständige Einzelkämpfer brauchen vor allem eines: gesundes Selbstvertrauen!

Als selbstständiger Einzelkämpfer Selbstvertrauen zu gewinnen, ist leichter gesagt als getan. Aber es ist wichtig, denn nur wer sich selbst etwas zutraut, wird damit auch Kunden überzeugen.

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Wer als Selbstständiger aktiv ist, braucht Selbstbewusstsein. Das ist nötig, um zu Kunden, Lieferanten, Auftragnehmern, in Besprechungen, auf Konferenzen zu gehen oder an Verhandlungen teilnehmen. Dabei sind manchmal auch Dinge zu tun, die Sie sich vielleicht nicht unbedingt zutrauen würden. "Nehmen Sie's leicht!", empfiehlt Lorenz Hölscher und gibt zu, dass er auch erst lernen musste, sein berufliches Selbstvertrauen zu stärken.

Es ist derzeit interessant zu sehen, wie die Viertklässler um mich herum mit der Versetzung auf eine neue Schule umgehen: da gibt es ein Geflatter und Geschnatter wie auf dem Hühnerhof, wer denn nun in welche Klasse kommt und welche Lehrer es werden und wie der Klassenraum aussieht. Mal abgesehen davon, dass die Eltern meist noch aufgeregter sind als deren Kinder, habe ich für diese Angst vor den ganzen Neuheiten durchaus Verständnis, denn die Kinder machen das gerade erst zum zweiten Mal.

Was das mit Ihnen zu tun hat? Eine ganze Menge: wie geht es Ihnen, wenn Sie zu einem neuen Kunden kommen? Mit was für einem Gefühl betreten Sie als Dozent den Schulungsraum am ersten Tag? Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihr Projekt in einer unbekannten Umgebung vorstellen sollen? Dabei machen Sie das vermutlich schon häufiger als zum zweiten Mal.

Es ist trotzdem normal, dass jetzt Ihr Blutdruck steigt und Sie ein wenig ins Schwitzen kommen, wenn Sie nur an solche Herausforderungen denken. In Wirklichkeit haben Sie wahrscheinlich sogar noch mehr Muffensausen gehabt. Und das war auch gut so.

Ich habe es überlebt!

Sie werden ohne Schwierigkeiten in Ihrer beruflichen Laufbahn Erlebnisse finden, die viel lustigen Erzählstoff für Enkel und Urenkel bieten, wo Sie selber aber tausend Tode gestorben sind. Meine "Lieblingserinnerung" ist eine Schulung für die Mitarbeiter einer Bank im ersten Jahr meiner Trainer-Laufbahn: ich hatte mich mühsam in das mir vorher unbekannte Programm eingearbeitet, welches sogar noch unter DOS lief und also völlig unübliche Tastenkombinationen und Bedienkonzepte hatte.

Als ich den Raum betrat, folgte ein Schreck auf den nächsten. Der Bank-Chef persönlich nahm überraschend auch teil. Es war total eng und stickig in dem fensterlosen Raum. Alle Mitarbeiter saßen an einer zusammengestellten großen Tischfläche voller Kabelgewirr und hatten kaum Platz für Tastaturen und Bildschirme. Es gab keinen Beamer, sondern - eine Schultafel mit Kreide. Und als Krönung der Katastrophen bekam ich nicht einmal einen eigenen Rechner zur Verfügung gestellt!

Ich musste also immer so hinter den Teilnehmern stehen, dass ich auf irgendeinem Bildschirm die Menütitel zum Anklicken lesen konnte. Wenn ich Glück hatte, fand der jeweilige Teilnehmer den Menütitel schnell genug, so dass ich dann im ausgeklappten Menü nachsehen konnte, wie der nächste Eintrag hieß.

Das war purer Stress, denn natürlich konnte ich die Menüstrukturen nicht so herunterbeten, wie das heute nach 20 Jahren Erfahrung mit Windows-Programmen geht. Und zu einer Software, die ich mir gerade mal 2-3 Tage angesehen hatte, konnte ich kaum alle Fragen beantworten, die einem Fachpublikum mit jahrelanger Betriebserfahrung so einfallen.

Aber was soll ich Ihnen sagen: ich habe es nicht nur überlebt, sondern wurde auch noch von den Teilnehmern gelobt, weil ich mir so viel Zeit genommen und nicht gehetzt hätte (ich musste ja schließlich darauf warten, dass ein Teilnehmer sein Bildschirm-Menü ausklappt). So unterschiedlich ist die Wahrnehmung...

Stress ist gut

Stress löst nämlich einen erhöhten Adrenalinspiegel aus, der zu solchen Symptomen führt, die allgemein als "Aufregung" bezeichnet werden. Manche sagen auch "Lampenfieber" dazu oder "ich falle tot um, wenn ich da jetzt raus auf die Bühne muss".

Das ist deswegen gut, weil Ihr Körper nun auf Hochtouren läuft und extrem reaktionsbereit ist. Zwar müssen Sie keinem Wollnashorn mehr entkommen (aus dieser Zeit vor einigen 10.000 Jahren ist dieser Stressmechanismus noch übrig geblieben), aber sich schon sehr schnell auf eine neue Situation, Umgebung oder soziale Interaktion einstellen.

Es ist bloß nicht so hilfreich, wenn Ihr Stresspegel so stark ansteigt, dass Sie einen kompletten Blackout haben und nicht mehr wissen, wie Sie heißen. Sie wollen schließlich Selbstvertrauen gewinnen. Also denken Sie jetzt am besten daran, dass Sie gut sind und warum Sie gut sind:

  • Sie sollen auf einer Konferenz reden? Ja super, der Veranstalter wird schon wissen, warum er genau Sie einlädt, und schließlich haben Sie sich ja gut vorbereitet. Jetzt können Sie dem Publikum mal zeigen, was eine Harke ist...!

  • Sie wollen mit einem neuen Kunden ein Angebot besprechen? Perfekt, immerhin ist Ihr Angebot wohldurchdacht und genau auf ihn zugeschnitten. Eigentlich muss er fast dankbar sein, dass Sie ihm so etwas Tolles anbieten...!

  • Heute beginnt eine neue Schulung mit Ihnen als Trainer? Prima, das macht bestimmt wieder Spaß. Vermutlich sind die Teilnehmer ebenso unruhig und überlegen, was auf sie zukommt und ob sie das überhaupt schaffen. Aber Sie sind derjenige, der den Ablauf schon kennt und beeinflussen kann...!

  • Sie müssen in völlig fremder Umgebung reden? Na und, dann fahren Sie eben ein wenig früher hin und gucken sich die Räume an. Das ist sowieso sinnvoller, als im letzten Moment angehetzt zu kommen. Wahrscheinlich redet auch noch jemand vor Ihnen und der hat dann das Problem, das Publikum "anzuwärmen"...

  • Ihr Auftraggeber will heute Änderungen an Ihrem Konzept mit Ihnen besprechen? Toll, dann hat er sich ja ausführlich damit beschäftigt und nimmt sich extra Zeit für die Details. Selbst wenn er kleinere Fehler finden sollte, sind Sie doch sicher, dass das Konzept insgesamt stimmig ist. Schließlich haben Sie lange daran gefeilt...!

Alles nicht so schlimm...

Sie merken sicherlich, dass in jedem Problem immer ein Hoffnungsschimmer steckt. Man kann sich den kaputtreden oder mutig nach Lösungen suchen. Selbstvertrauen heißt schließlich, dass Sie sich auch einmal selbst vertrauen.

Und wer sind Sie eigentlich, dass Sie jetzt schon kneifen? Immerhin sind Sie der Fachmann oder die Fachfrau! Keiner verlangt, dass Sie gleich die ganze Welt retten. Es reicht, wenn Sie genau hier und genau jetzt eine angemessene Lösung finden. Erstaunlicherweise stellt sich die Situation hinterher oft als gar nicht so bedrohlich heraus, wenn man erst einmal drinsteckt.

  • Als Redner erhält man vom Publikum von Anfang an Vorschusslorbeeren. Man muss schon ziemlich schlecht sein, um wirklich durchzufallen.

  • Typischerweise geht sowieso kein Angebot unverändert bis zum fertigen Projekt durch. Das ist also keine Kritik an Ihrem Entwurf, sondern lediglich notwendige Feinanpassung.

  • Sie können fast sicher sein, dass die Teilnehmer eines Seminars mehr Angst vor dem Tag haben als der Trainer. Schließlich haben Sie als Trainer alle Fäden in der Hand und können jederzeit die Richtung bestimmen.

  • "Fremde Umgebungen" sind so fremd auch wieder nicht. Dort gibt es Wände, Tische, Steckdosen und technische Geräte wie anderswo auch, nur eben anders angeordnet. Am schwierigsten sind oft nur die Toiletten zu finden.

  • Konzepte sollten nicht gleich zusammenbrechen, nur weil ein Detail verändert wird. In der Entwicklungsphase haben Sie ja auch dauernd so lange Details verbessert, bis es gut war. Und jetzt wird es eben besser. Oder wenigstens anders.

Übung macht den Meister

Natürlich neigen wir alle (ja, ich auch!) dazu, solchen neuen Situationen auszuweichen. Kuschelig im eigenen Büro ist es eben doch heimeliger als da draußen in der anstrengenden Welt.

Das entspricht übrigens meinem - ebenso falschen wie beliebten - Argument gegen Sport: das ist doch total anstrengend und am Ende hat man auch noch Muskelkater! Jawoll, wenn Sie sich neuen Situationen aussetzen, riskieren Sie ein wenig Stress. Das wird sich aber wohl nicht vermeiden lassen, wenn Sie neue Ziele erreichen wollen. Sonst können Sie sich genauso gut in der Sänfte auf die 1.000-m-Strecke begeben.

Es muss ja nicht gleich die Riesenherausforderung sein, etwa ein mühsam erarbeitetes Thema bei einem neuen Kunden in unbekannten Räumen. Damit würden Sie ohne Vorbereitungstraining im Handstand einen Marathon laufen (wie beim zweiten Bild zum Boston Marathon). Lassen Sie es eine Nummer kleiner angehen und bieten einem neuen Kunden erst einmal etwas an, was Sie gut können. Auch Selbstvertrauen darf in kleinen Scheibchen portioniert sein.

Oftmals wird es allerdings andersherum kommen: Sie werden nach etwas gefragt, was Sie genau so noch nie gemacht haben. Na und? Sonst wäre es ja auch langweilig. Sie werden darin Altbekanntes entdecken und Neues, also sammeln Sie erst einmal alles, was Sie schon kennen. Dann gucken Sie sich die neuen Herausforderungen an und werden feststellen, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird.

Prototypen bauen

Da ich viel mit Software zu tun habe, kann ich neue (Programmier-)Techniken oft schnell mal in einem Prototypen testen, ohne echtes Material zu verbrauchen. Dieser Prototyp ist nur roh zusammengezimmert, gibt mir aber ein Gefühl dafür, auf was ich mich einlasse.

Danach ist das "Neue" übrigens auch nicht mehr neu und viel weniger furchteinflößend.

Fazit

Gerade als Selbstständiger brauchen Sie regelmäßig eine gewisse Chuzpe, die sich am besten so beschreiben lässt, wie Terry Pratchett es in "Die Magie der Scheibenwelt" macht: "Natürlich kann ich das", erwiderte sie trotzig. "Ich hab’s nur noch nie versucht."

Die meisten Selbstständigen hingegen haben eher zu viel Angst vor der eigenen Courage und stapeln tief. Denken Sie einfach daran, was Sie schon alles hingekriegt haben und gehen immer einen kleinen Schritt weiter. Sie werden sehen, ein paar Erfolgserlebnisse tun Ihrem Selbstvertrauen gut (und ein paar Peinlichkeiten bieten später lustige Anekdoten).

Zum Weiterlesen: Allein zurechtkommen

Selbstständige sollten schon allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber sich selbst gerecht werden! Überleben als Selbstständige/r.