Kirchenaustritt und Kirchensteuer

Der Kirchenaustritt ist keine unüberwindliche Barriere. Wir erläutern den Ablauf.

Der Austritt aus den beiden großen Kirchen ist in Deutschland mit vergleichsweise großem Aufwand verbunden. Deshalb gibt es in den Kirchenregistern viele Karteileichen: Menschen, die sich innerlich der Kirche nicht zugehörig fühlen, formell jedoch Kirchenmitglieder sind - und Kirchensteuer zahlen. Dabei ist der Kirchenaustritt beileibe keine unüberwindliche Barriere. Wir erläutern den Ablauf.

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Der Austritt aus den beiden großen Kirchen ist in Deutschland mit vergleichsweise großem Aufwand verbunden. Deshalb gibt es in den Kirchenregistern viele Karteileichen: Menschen, die sich der Kirche innerlich nicht zugehörig fühlen, formell jedoch Kirchenmitglieder sind – und Kirchensteuer zahlen. Dabei ist der Kirchenaustritt beileibe keine unüberwindliche Barriere. Wir erläutern den Ablauf.

Bei der Entscheidung zum Kirchenaustritt sind natürlich nicht die finanziellen Aspekte ausschlaggebend. Die Belastung durch die Kirchensteuer ist jedoch ein Grund, um nicht etwa nur aus Bequemlichkeit oder Trägheit Kirchenmitglied zu bleiben, wenn Glaube oder innere Bindung fehlen. Informationen zu Kirchenaustritt und Kirchensteuern gibt es zwar an einigen Stellen im Internet, sie sind jedoch meist eindeutig parteilich – entweder, weil sie von den Kirchen selbst stammen oder aber von radikalen Gegnern von Kirche bzw. Kirchensteuer. Hier soll es nicht um weltanschauliche Fragen gehen, sondern nur um die formelle Seite.

Kirchensteuer und Kirchensteuersatz

In Deutschland erfolgen Bemessung und Einzug der Kirchensteuern für die evangelische (EKD) und römisch-katholische Kirche direkt über die staatlichen Finanzämter; dasselbe gilt auch für einige kleinere christliche Gemeinschaften sowie die Kultussteuern der jüdischen Gemeinden. Bemessungsgrundlage sind Lohn- und Einkommensteuer sowie die Grundsteuer. Geregelt wird dies auf Landesebene: Jedes Bundesland hat eigene Kirchensteuergesetze und Kirchensteuerordnungen (KiStO) erlassen.

Die Kirchensteuerpflicht beginnt mit der Taufe (bzw. dem Kircheneintritt) und endet mit dem Kirchenaustritt. Der gesetzliche Kirchensteuersatz für die evangelischen und katholischen Kirchen beträgt in Baden-Württemberg und Bayern 8 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer. In den anderen Bundesländern sind es 9 Prozent. Die Kirchensteuern entfallen ab dem Folgemonat (teilweise auch erst im 2. Folgemonat) des Austritts. Der beim Kirchenaustritt entfallende Kirchensteuerbetrag gelangt jedoch nicht in voller Höhe in die Hände des Steuerpflichtigen, einen Teil davon behält der Staat: Durch die Einsparung der Kirchensteuern erhöht sich nämlich das zu versteuernde Bruttoeinkommen genau um den Einsparbetrag.

Beträgt die persönliche jährliche Kirchensteuerersparnis beispielsweise 1.000 EUR und der eigene Grenzsteuersatz für die Einkommenssteuer 25 Prozent, verbleiben von den eingesparten 1.000 EUR nur 750 EUR als zusätzliches Nettoeinkommen, das Finanzamt bekommt 250 EUR.

Wie viel Kirchensteuern Sie zahlen, steht in Ihrer letzten jährlichen Einkommensteuererklärung bzw. Ihrem Einkommensteuerbescheid. Meistens wird der Kirchensteueranteil auch in der monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigung gesondert aufgeführt.

Der Blick auf Steuerbescheid, Lohnsteuerkarte oder Lohnabrechnung ist ohnehin zu empfehlen: Gelegentlich kommt es vor, dass auf Lohnsteuerkarten irrtümlich "EV" für evangelisch bzw. "RK" für römisch-katholisch eingetragen wird und Kirchensteuern einbehalten werden, zum Beispiel aufgrund von Eingabefehlern bei den Meldeämtern.

Zusätzlich zur Kirchensteuern gibt es noch das sogenannte allgemeine und das besondere Kirchgeld. Von einigen Gemeinden wird zusätzlich zur Kirchensteuer ein einkommensabhängiges sogenanntes allgemeines Kirchgeld zur örtlichen Verwendung erhoben. Es beträgt beispielsweise in Niedersachsen zwischen 3 und 60 EUR und in Bayern zwischen 5 und 120 EUR. Das allgemeine Kirchgeld wird aber nicht über die Finanzämter, sondern per Anschreiben direkt bei den Kirchenmitgliedern eingezogen, seine Bezahlung ist damit de facto freiwillig.

Das besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe wird dagegen wie Kirchensteuern über die Finanzämter erhoben: Tritt in einer Familie nur der verdienende Steuerzahler aus der Kirche aus, nicht aber sein Ehegatte, wird besonderes Kirchengeld oder Gemeindegeld auf Grundlage des gemeinsamen zu versteuernden Einkommens veranlagt. Die evangelische Kirche praktiziert dies bundesweit, einige katholische Bistümer verzichten jedoch darauf. Eine Befreiung vom Kirchgeld ist nur möglich, wenn auch der Ehegatte aus der Kirche austritt oder wenn keine gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer mehr stattfindet. Letzteres wirkt sich steuerlich jedoch meist sehr viel ungünstiger aus, als das besondere Kirchgeld zu bezahlen. Die evangelische Landeskirche in Bayern bietet einen Online-Rechner für besonderes Kirchgeld, mit dem Sie ermitteln können, ob für Sie besonderes Kirchgeld anfällt und, wenn ja, in welcher Höhe.

Steuerberater sind verpflichtet, auf Kirchensteuerbelastungen hinzuweisen

Ein Steuerberater muss seinen Mandanten beispielsweise bei einer Gewinnausschüttung darauf hinweisen, wenn er auch durch Kirchensteuerprogression steuerlich belastet wird. Nach Meinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az. 9 C 12/02, Urteil vom 21.05.2003) würden viele Menschen aus der Kirche austreten, wenn sie in so einem Fall wüssten, dass sich auch die Kirchensteuer progressiv erhöhen kann.

Besonderes Kirchgeld

Auf der Website Kirchgeld-Klage.info wird die Rechtslage zum besonderen Kirchgeld sehr genau analysiert. Das Fazit dort lautet: Das besondere Kirchgeld sei nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Doppelverdiener nicht zulässig (BFH I B 109/12; Ziffer 2 a und b).

Kirchenaustritt

Den Kirchenaustritt müssen Mitglieder der evangelisch-lutherischen oder römisch-katholischen Kirche persönlich beim Standesamt oder Amtsgericht vornehmen (dasselbe gilt aber auch für jede andere Religionsgemeinschaft, die als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt ist). Ohne diesen formalen Austritt vor einer Amtsstelle bleibt man kirchensteuerpflichtig.

Für den Austritt ist je nach Bundesland entweder das Standesamt oder das Amtsgericht am Wohnsitz zuständig. In Berlin, Brandenburg, Hessen, NRW und Thüringen müssen Sie persönlich zum Amtsgericht gehen. In allen anderen Bundesländern ist das Standesamt am Wohnsitz aufzusuchen. Gibt es beim Amt keine Wartezeit, sollte der Kirchenaustritt in etwa zehn Minuten erledigt sein.

Für alle Bundesländer gilt:

  • Sie müssen immer persönlich beim Standesamt bzw. Amtsgericht erscheinen.

  • Sie müssen Ihren Kirchenaustritt nicht begründen!

  • Sie müssen ein Austrittsformular ausfüllen und unterschreiben.

  • Dazu müssen Sie sich mit einem gültigen Personalausweis oder Pass ausweisen.

  • Verheiratete und Geschiedene müssen zusätzlich ihr Familienbuch vorlegen.

Austrittsgebühren: In Berlin, Brandenburg und Bremen ist der Austritt kostenlos. In den anderen Bundesländern müssen Sie zwischen 10 und 60 EUR mitbringen. Angesichts der zukünftigen Ersparnisse sind diese geringen Gebühren jedoch zu vernachlässigen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 2. Juli 2008 (1 BvR 3006/07) entschieden, dass Austrittsgebühren mit der Verfassung vereinbar sind: "Gebührenpflichtiges Verfahren zum Kirchenaustritt verfassungsgemäß".

Kirchenaustritt beim Notar

Die einzige andere Möglichkeit für den Kirchenaustritt ist ein Termin beim Notar. Dazu benötigen Sie die gleichen Dokumente. Der Notar schickt dann die von ihm beglaubigte Austrittserklärung an das zuständige Amt bzw. Amtsgericht. Für die Beurkundung Ihrer Austritterklärung entstehen natürlich Notariatsgebühren, zusätzlich werden gegebenenfalls noch die Austrittsgebühren fürs Standesamt oder Amtsgericht berechnet. Dafür entfällt die Wartezeit beim Standesamt oder Amtsgericht bzw. die Beschränkung auf deren Öffnungszeiten – Notare beurkunden oft auch abends oder gar an Wochenenden.

Kirchenaustritt von Kindern: Bis zum Alter von 12 Jahren entscheiden nur die Eltern für das Kind. Im Alter von 12 bis 14 Jahren muss das Kind einem Kirchenaustritt zustimmen. Ab 14 Jahren entscheidet das Kind selbst allein über den Austritt.

Das Weglassen von Angaben zur Religionszugehörigkeit beim Umzug in ein anderes Bundesland ist kein rechtswirksamer Kirchenaustritt! Wer in ein anderes Bundesland umzieht und dabei im Anmeldebogen für das Einwohnermeldeamt seine Religionszugehörigkeit weglässt, erhält zwar womöglich seine nächste Lohnsteuerkarte ohne den Aufdruck "EV" (evangelisch) oder "RK" (römisch-katholisch); rechtlich bleibt die Kirchenmitgliedschaft dennoch bestehen. Deshalb kann es passieren, dass später rückwirkend Kirchensteuer nachgefordert wird. Laut Presseberichten erhalten die Kirchensteuerstellen der Kirchen teilweise von den Landeseinwohnerämtern Zugriff auf deren Datenbestände.

Aus diesem Grund sollten Sie die Bescheinigung über den Kirchenaustritt auch gut aufbewahren. Wenn Sie nach Kirchenaustritt von Ihrer ehemaligen Religionsgemeinschaft zur Zahlung aufgefordert werden, müssen Sie beweisen, dass Sie aus der Kirche ausgetreten sind. Haben Sie keinen Beweis, drohen Ihnen hohe Nachzahlungen ggf. für mehrere Jahre. Konflikte dieser Art zwischen den kirchlichen Kirchensteuerstellen und Menschen, die ihren Kirchenaustritt nicht nachweisen konnten, wurden aus Berlin berichtet. Der Eintrag auf der Lohnsteuerkarte wurde dort nicht als Beleg anerkannt. Die Amtsgerichte müssen die Nachweise über Kirchenaustritte nur zehn Jahre lang aufbewahren. Wer beim Kirchenaustritt verheiratet, verwitwet oder geschieden war und den Austritt beim Amtsgericht erklärte, kann den Nachweis möglicherweise auch über das Standesamt führen, das die Austrittsmeldung vom Amtsgericht erhalten haben sollte, um sie ins Familienbuch einzutragen.

Religionsgemeinschaften ohne öffentlich-rechtlichen Status

Bei Religionsgemeinschaften, die im jeweiligen Bundesland nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt sind, stellt das Vereinsrecht die Grundlage für Zahlungsansprüche an ihre Mitglieder dar, die Vereinssatzung ist die Grundlage für Mitgliederbeiträge und Kündigungsfristen. In diesem Fall muss der Austritt direkt beim Verein selbst erfolgen. Sie sollten sich den Austritt schriftlich mit Datum bestätigen lassen.

Steuer-Formalitäten nach dem Kirchenaustritt

Damit Ihnen nach dem Kirchenaustritt keine Kirchensteuern mehr abgezogen werden, müssen Sie zusätzlich noch die Religionszugehörigkeit auf Ihrer Lohnsteuerkarte austragen lassen! Dazu müssen Sie die Bescheinigung nicht etwa Ihrem Arbeitgeber bzw. dem Lohnbüro vorlegen – benötigt wird der amtliche Umtrag auf Ihrer Lohnsteuerkarte. Die Umtragung erfolgt bei dem für Sie zuständigen Finanzamt, teilweise auch beim Einwohnermeldeamt, dem Bürgeramt oder Bezirksamt. Zusätzlich zur aktuellen Lohnsteuerkarte müssen Sie natürlich die Kirchenaustrittbescheinigung mitbringen. Soweit Sie bereits eine Lohnsteuerkarte für das folgende Jahr erhalten haben, sollten Sie auch diese gleich mit vorlegen. Fragen Sie am besten schon beim Ausstellen der Austrittsbescheinigung im Standesamt oder beim Amtsgericht, wohin Sie danach wegen der Lohnsteuerkarte gehen müssen.

Bei Austritten aus anderen Religionsgemeinschaften als der evangelischen oder der römisch-katholischen Kirche entfällt natürlich die Änderung auf der Lohnsteuerkarte.

Als Selbstständiger sollten Sie vorsorglich Ihren Steuerberater vom Kirchenaustritt informieren, damit er das bei der nächsten Steuererklärung wirklich berücksichtigt. Allerdings können nach dem amtlich erfolgten Kirchenaustritt irrtümlich gezahlte Kirchensteuern auch zurückgefordert werden.

Links

  • Kirchensteuerrechner der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (9 Prozent).

  • Kirchensteuer.de: Informationsseite zu Kirchensteuer und -austritt von Kirchensteuer-Gegnern.

  • Steuer-Forum-Kirche.de: Eher kirchenfreundliche Seite mit sehr vielen Informationen. Hier findet man etwa den Text von Kirchensteuergesetzen und -verordnungen, von Gerichtsurteilen zum Thema Kirchensteuer sowie Details zur Steuerpraxis.

  • Kirchenaustritt.de: Eine Site, die beim Kirchenaustritt helfen will, u.a. mit einer Orts-Suche nach dem für den Kirchenaustritt zuständigen Standesamt bzw. Amtsgericht nebst Adresse.

  • "Kirche und Geld": Informationen der evangelischen Landeskirche Bayern zu Kirchensteuern und Kirchengeld.

  • Kirchensteuern.de: Website des Vereins zur Umwidmung von Kirchensteuern, in dem sich Kirchenmitglieder (!) gegen die Kirchensteuer engagieren.

  • Anleitung zum Kirchenaustritt: Ausstieg leicht gemacht. TAZ vom 6.02.2009.

  • FAQ Kirchenaustritt: Fragen und Antworten zum Kirchenaustritt in Deutschland, Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA).

  • Jeder vierte Katholik erwägt Kirchenaustritt: Welt Online vom 23.04.2010.