Zwangsmitgliedschaft in IHK und Handwerkskammer: Wer muss mit welchen Beiträgen rechnen?

Schnelle Infos zur Pflichtmitgliedschaft in IHK und Handwerkskammern

Auf ihre Zwangsmitgliedschaft in Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern reagieren viele Gewerbetreibende mit großem Ärger. Immerhin sind die Beiträge für Gründer und Selbstständige mit geringem Einkommen an manchen Orten weiter gesenkt worden.

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Die Zwangsmitgliedschaft von Gewerbetreibenden in Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern ist ein heikles Thema und politisch ausgesprochen umstritten. Zwar gibt es für Gründer und Geringverdiener vielerorts Beitragsentlastungen. Die Kammer-Zwangsbeiträge belasten und ärgern viele Unternehmen aber nach wie vor. Wir erläutern, mit welchen Beiträgen Sie rechnen müssen.

Dass Selbstständige und Unternehmer per Gesetz gezwungen sind, Mitglied in Gremien zur Selbstverwaltung und Interessenvertretung zu werden, ist schon einigermaßen kurios. Immerhin geht mit der im Artikel 9 Abs. 1 Grundgesetz festgelegten Vereinigungsfreiheit zugleich ein "Fernbleiberecht" einher: Die Freiheit, Vereine und Gesellschaften sowie Vereinigungen zur Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden, schließt grundsätzlich auch die Möglichkeit ein, sich solchen Vereinigungen nicht anzuschließen.

Eine vom Staat verordnete Institution, die laut § 1 IHK-Gesetz ein nicht genauer definiertes "Gesamtinteresse der [...] Gewerbetreibenden" wahrnehmen soll (unter anderem gegen eben diesen Staat!), steht daher auf einigermaßen wackeligen Füßen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in mehreren Entscheidungen (zuletzt im Jahr 2001 im Beschluss gegen eine Verfassungsbeschwerde) betont, dass eine Zwangsmitgliedschaft zu rechtfertigen ist, solange ein öffentlich-rechtlicher Verband (auch) "legitime öffentliche Aufgaben" erfüllt.

Gleichzeitig verlangte das Gericht vom Gesetzgeber damals "die ständige Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine öffentlichrechtliche Zwangskorporation noch bestehen." Nach fast 15 Jahren liegen dem Bundesverfassungsgericht derzeit wieder mehrere Verfassungsbeschwerden vor. Über deren Annahme ist bisher jedoch noch nicht entschieden.

Legitime öffentliche Aufgaben?

Die geforderten "öffentlichen Aufgaben" erfüllen die als "Körperschaften des öffentlichen Rechts" organisierten Handwerks-, Industrie- und Handelskammern in einem gewissen Umfang. Denn über die direkten Serviceleistungen für gegenwärtige und künftige Mitglieder hinaus ...

  • überwachen sie zum Beispiel die Berufsausbildung,

  • nehmen Prüfungen ab,

  • unterstützen und beraten staatliche Behörden durch Vorschläge, Berichte und Expertisen,

  • erstellen Gutachten im Rahmen von Gerichtsverfahren,

  • nehmen Aufsichtsfunktionen im Umweltrecht wahr oder

  • sorgen für die Vereidigung öffentlicher Sachverständiger.

All diese Aufgaben könnten zwar ebenso gut die aus Steuermitteln finanzierten staatlichen Institutionen direkt erfüllen. Doch Politik (und westliche Besatzungsmächte) haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg dafür entschieden, einige hoheitliche Aufgaben den historisch gewachsenen Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft zu überlassen.

Widerstand gegen Pflichtmitgliedschaft

Bei vielen Betrieben sind in den letzten Jahren jedoch die Zweifel gewachsen, ob den oft happigen Beiträgen ein angemessener Nutzen gegenübersteht. Seit Mitte der 90er-Jahre haben sich sogar ausgesprochene Kammer-Verweigerer zusammengeschlossen, um Front gegen die Pflichtmitgliedschaft zu machen.

Sie fühlen sich dabei mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt bestärkt: Vergleichbare Zwangsvereinigungen gibt es nur noch in wenigen EU-Staaten. Ein Durchbruch in Richtung auf eine freiwillige Interessenvertretung zeichnet sich bislang aber noch nicht ab. Den "Kammerjäger"-Kampagnen ist es aber mit zu verdanken, dass in zwei Gesetzesnovellen der letzten Jahre einheitliche Erleichterungen für Existenzgründer und Kleinunternehmen geschaffen wurden.

Zwar haben

etwas an der obligatorischen Mitgliedschaft geändert. Aber immerhin ist die Zahl der beitragsfrei gestellten oder finanziell entlasteten Mitglieder etwas größer geworden.

Freiberufler-Privileg

Nicht ins Handelsregister eingetragene Freiberufler und ähnliche Selbststämdige sind von der IHK-Mitgliedschaft befreit. Falls sie darüber hinaus keiner speziellen berufsständischen Kammer angehören (wie etwa der Ärzte-, Rechtsanwalts-, Architekten- oder Steuerberaterkammer), gibt es für sie gar keinen Kammerzwang.

Bitte beachten Sie: Viele Kammerleistungen stehen auch Nichtmitgliedern zur Verfügung. Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem Praxistipp "Lassen Sie die IHK nicht links liegen!"

Gesetzlich geregelte IHK-Beiträge

Der IHK-Beitrag setzt sich in der Regel aus einem – meist gestaffelten – Grundbeitrag und einer sogenannten Umlage zusammen. Mitglieder, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und deren Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 Euro nicht übersteigt, zahlen laut § 3 IHK-Gesetz gar keine Beiträge.

Gewerbeertrag oder Gewinn?

Mit der Alternative "Gewerbeertrag" oder "Gewinn aus Gewerbebetrieb" hat es Folgendes auf sich: Sofern ein Betrieb gewerbesteuerpflichtig ist, stellt der Gewerbeertrag laut §§ 7 bis 9 Gewerbesteuergesetz die Beitragsbemessungsgrundlage dar. In allen anderen Fällen ist der Gewinn laut § 4 Einkommensteuergesetz maßgebend.

Tipp: Falls Sie sich mit der Unterscheidung der unterschiedlichen betrieblichen Steuerarten schwertun, empfehlen wir einen Blick auf unseren Grundlagenbeitrag "Existenzgründung: Mit welchen Unternehmenssteuern muss ich rechnen?"

Mitglieder, die

  • in den fünf Wirtschaftsjahren vor der Betriebseröffnung keine Einkünfte als Selbstständige, Gewerbetreibende oder Landwirte hatten (und demnach als Existenzgründer gelten),

  • in dieser Zeit auch nicht mit mehr als 10 Prozent an einer Kapitalgesellschaft beteiligt waren und

  • deren Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt,

zahlen in den beiden ersten Jahren ebenfalls keine IHK-Beiträge. Im dritten und vierten Jahr zahlen sie nur den Grundbeitrag und sind von der Umlage befreit.

Zahlenbeispiel

Wie hoch der IHK-Beitrag im Einzelfall ist, hängt vom jeweiligen Standort ab: Denn auf Basis der gesetzlichen Vorgaben genießen die Industrie- und Handelskammern Satzungs- und Finanzhoheit. Die Höhe von Grundbeitrag und Umlage wird jährlich von den regionalen IHK-Vollversammlungen beschlossen. Unter bestimmten Umständen können die Freistellungsgrenzen notfalls sogar herabgesetzt werden.

Um Ihnen eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben, hier die konkreten Zahlen aus der aktuellen Wirtschaftssatzung 2015 der IHK Berlin (PDF, 2,7 MB, Stand: 2015). Dort ist der Grundbeitrag folgendermaßen gestaffelt:

  • Nichtkaufleute mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn von bis zu 5.200 Euro sind beitragsfrei,

  • beitragspflichtige Nichtkaufleute mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 5.200 Euro und 15.000 Euro zahlen 32 Euro,

  • beitragspflichtige Nichtkaufleute mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 15.000 Euro und 30.000 Euro zahlen 48 Euro,

  • beitragspflichtige Nichtkaufleute mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 30.000 Euro und 50.000 Euro zahlen 80 Euro,

  • beitragspflichtige Kaufleute mit einem Verlust oder einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn von bis zu 50.000 Euro zahlen 80 Euro,

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 50.000 Euro und 100.000 Euro zahlen 128 Euro,

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 100.000 Euro und 200.000 Euro zahlen 256 Euro und

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 200.000 Euro und 400.000 Euro zahlen 480 Euro,

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 400.000 Euro und 800.000 Euro zahlen 832 Euro,

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 800.000 Euro und 1,5 Mio. Euro zahlen 1.600 Euro,

  • alle beitragspflichtigen IHK-Mitglieder mit einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn zwischen 1,5 Mio. Euro und 3 Mio. Euro zahlen 3.200 Euro,

  • bis zu einem Gewerbeertrag bzw. Gewinn von 10 Mio. Euro steigt der Grundbeitrag anschließend stufenweise auf 9.600 Euro.

  • Sofern bestimmte Bilanz-, Umsatz- und Mitarbeiter-Werte überschritten werden, kann der Grundbeitrag sogar 12.800 Euro erreichen.

Als Umlage sind darüber hinaus 0,21 % des Gewerbeertrags bzw. Gewinns fällig. Die Bemessungsgrundlage wird dabei im Fall von natürlichen Personen und Personengesellschaften um einen Freibetrag von 15.340 Euro vermindert.

Wer es noch genauer wissen will, kann seinen Beitrag mithilfe eines Online-Rechners auf der Website der IHK Berlin ganz genau ermitteln. Ein nicht gewerbesteuerpflichtiger Selbstständiger mit einem Gewinn von 45.000 Euro zahlt demnach 80 Euro Grundbeitrag und eine Umlage in Höhe von 62,29 Euro (45.000 ./. 15340 x 0,21%), insgesamt also 142,29 Euro.

IHK-Finder

Welche genauen Beiträge auf Sie zukommen, erfahren Sie bei der für Sie zuständigen Industrie- und Handelskammer. Falls Sie noch nicht wissen, welche das ist, hilft Ihnen der IHK-Finder des Deutschen Industrie- und Handelskammertages weiter.

Sonderfall Handwerk

Was Gewerbebetrieben die IHK, ist den Handwerksbetrieben die Handwerkskammer. Deren Vorschriften sind in vielen Fällen noch weitaus rigider als die für andere Gewerbetreibende: So gelten für Handwerker nach wie vor die auf das mittelalterliche Zunftwesen und das nationalsozialistische Handwerksrecht zurückgehenden Zugangsbeschränkungen (Stichwort: Meisterbrief). Dass die Gewerbe- und Berufsfreiheit in einem dermaßen großen Wirtschaftszweig außer Kraft gesetzt ist, stellt zumal vor dem Hintergrund der innereuropäischen Konkurrenz einen bemerkenswerten Anachronismus dar.

Im Vorlauf der letzten Handwerksordnungs-Novelle stand einmal mehr die Aufhebung des Meisterzwangs zur Debatte. Nach massiver Intervention der Handwerkslobby wurde eine Neufassung des Handwerksrechts verabschiedet. Die Zahl der zulassungspflichtigen Berufe in Anlage A der Handwerksordnung (HWO) wurde dabei um mehr als die Hälfte (von 94 auf 41) reduziert. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den in der Anlage B zur HWO aufgeführten 53 "zulassungsfreien Handwerken" jedoch um historische Berufe, die in der heutigen Handwerkslandschaft zahlenmäßig eine eher randständige Rolle spielen. Ungeachtet aller rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken hat der Deutsche Bundestag den Meisterzwang im Handwerk im Dezember 2014 noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Gesetzlich geregelte HWK-Beiträge

Die Kammer- und Beitragspflicht gilt gemäß § 90 HWO auch für nicht meisterpflichtige Handwerke sowie die handwerksähnlichen Gewerbe. Beitragsrahmen sowie Freigrenzen und Ausnahmeregelungen sind in § 113 HWO geregelt.

  • "Minderhandwerker" gemäß § 90 Abs. 3 HWO, deren Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 Euro nicht übersteigt, zahlen demnach keine Beiträge.

  • Existenzgründer, deren Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht überschreitet, sind im Jahr der Anmeldung von allen Beiträgen befreit.

  • Im zweiten und dritten Jahr zahlen sie nur die Hälfte des Grundbeitrages und sind vom Zusatzbeitrag befreit.

  • Im vierten Jahr zahlen sie den ganzen Grundbeitrag, sind aber noch vom Zusatzbeitrag befreit.

Ab dem fünften Jahr sind unabhängig von der Ertragslage gestaffelte Grundbeiträge sowie Zusatzbeiträge in Form von prozentualen Beiträgen auf den Gewerbeertrag oder Gewinn fällig. Bei Jahresüberschüssen von mehr als 25.000 Euro müssen Grund- und Zusatzbeiträge in voller Höhe gezahlt werden.

Die für Sie gültigen Konditionen erfragen Sie am besten direkt bei der für Sie zuständigen Handwerkskammer. Falls Sie nicht wissen, welche das ist, werden Sie auf der Suchseite des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) fündig.

Und gleich noch ein Tipp hinterher: Gute Anlaufstellen für unabhängige, kammerkritische Informationen sind

Fazit

Ungeachtet der verständlichen und in vielerlei Hinsicht berechtigten Kritik an der Kammerpflicht von Gewerbetreibenden und insbesondere Handwerkern: Viele IHKs und HWKs leisten durchaus qualifizierte und nützliche Beratungs- und Servicearbeit. Wer die Angebote vor Ort wahrnimmt, kann in den Genuss eines angemessenen Gegenwerts für seine Beiträge kommen.

Die Kammern tun umgekehrt jedoch gut daran, der schwindenden Legitimation durch verbesserte, praxisnahe Dienstleistungen zu begegnen. Dann werden sie auch nach der absehbaren Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft eine wichtige Funktion im Wirtschaftsleben behalten.