Kurzgeschichten schreiben: Erfolgsregeln und Veröffentlichungsmöglichkeiten

Tipps für den gelungenen Aufbau von Kurzgeschichten - wo Sie Ihre Texte veröffentlichen können

Wie Sie eine Kurzgeschichte dramaturgisch aufbauen und wo Sie Ihre Kurzgeschichten veröffentlichen können.

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Wer Kurzgeschichten erzählt, muss sich auf das Wichtigste beschränken. Sie müssen jeden Satz auf den Punkt formulieren. Ganz besonders gilt das für den Anfang und das Ende. Ist die Kurzgeschichte fertig, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sie zu publizieren.

So wenig, wie es die Kurzgeschichte gibt, so wenig kann es eine allgemeingültige Anleitung für das Verfassen solcher Storys geben. (Kurz-)Geschichten sind so vielfältig wie ihre Autoren und deren Themen und Schreibstile. Trotzdem gibt es einige Regeln, die Orientierung bieten können.

Wie alle Texte besteht eine Kurzgeschichte aus einem Anfang, einer Mitte und einem Schluss. Der Krimiautor Mickey Spillane sagte in einem Interview: „Niemand liest einen Krimi, um die Mitte zu erreichen. Sie lesen ihn, um ans Ende zu gelangen. … Die erste Seite verkauft das betreffende Buch. Die letzte Seite verkauft Ihr nächstes Buch.“ - Bei Kurzgeschichten ist es so ähnlich.

Der
Anfang

Wie beim Fliegen sind Start und Landung bei einem Text am wichtigsten. Mit dem Anfang und dem Ende einer Geschichte sollten Sie sich also besonders viel Mühe geben.

Der Anfang einer Geschichte soll den Leser in den Text ziehen. Er soll ihn dazu verlocken weiterzulesen. Die wichtigste Aufgabe der ersten Sätze ist es, den Leser neugierig zu machen.

Allerdings darf der Autor keine Versprechungen machen, die die Geschichte nicht einhält. Das heißt, Handlung, Personen, Ton, sie alle müssen eine realistische Vorstellung von der weiteren Story geben.

Sie können also nicht in Thrillermanier beginnen, wenn dies das einzig Spannende an Ihrer Geschichte ist, denn das verwirrt die Leser oder ärgert sie sogar. Soll Ihre Story andererseits zum Schmunzeln oder Lachen verleiten, sollte sich das bereits in den ersten Sätzen andeuten.

Besonders für Kurzgeschichten gilt: Keine langen Vorreden! Kommen Sie sofort zur Sache. Erklärungen können Sie, falls nötig, später einbauen. (Aber sparsam.)

Einige Beispiele für gelungene erste Sätze von Kurzgeschichten:

  • Ein junger Mann bat einen Vater um die Hand seiner Tochter und erhielt sie in einem Karton – ihre Linke. (Aus: „Die Hand“ von Patricia Highsmith)

  • Die beiden Polizisten glotzten ihn an wie zwei Wolgakarpfen. (Aus: „Es gibt da eine kleine Ente …“ von Doris Dörrie)

  • Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten, aber es sollte eine wirkliche Prinzessin sein. (Aus: „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Hans Christian Andersen)

  • Oft, Herrschaften, kann schon ein kleiner Mangel Anlass geben zu einer Reise – beispielsweise der Mangel an einem Kilochen Nägel. (Aus: „Die Reise nach Oletzko“ von Siegfried Lenz)

  • Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, befällt mich Verlegenheit: Ich werde rot, stammele, ich, der ich sonst als ein sicherer Mensch bekannt bin. (Aus: „Der Lacher“ von Heinrich Böll)

(Alle Beispiele stammen aus dem Buch Kurz und bündig, erschienen 2007 bei Diogenes)

Wie Sie sehen, erwähnt die Autorin beziehungsweise der Autor die Hauptperson in den meisten Fällen gleich in den ersten Worten. Auch ob der Ton eher humorvoll ist oder ernst, deutet sich an. Und neugierig machen diese Sätze allemal.

Krimiautor J. A. Konrath gibt in seinem Blogpost How Not To Write A Story unter anderem folgende Ratschläge:

  • Fangen Sie eine Geschichte nicht mit irgendeiner Art von Beschreibung an.

  • Fangen Sie eine Geschichte nicht damit an, wie Ihre Hauptfigur aufwacht.

  • Fangen Sie Ihre Geschichte nicht mit dem Wetter an.

Ergänzen ließe sich jedes Mal: … außer Sie haben einen guten Grund dafür. Wie so oft im Leben gilt: Keine Regel ohne Ausnahme.

Aufgabe:

Lesen Sie die ersten Sätze von Kurzgeschichten (und auch Romanen), die Ihnen gefallen. Wie erwecken die Autoren Ihre Neugier?

Schreiben Sie spontan die Anfänge von zwei, drei oder mehr (neuen, hypothetischen) Geschichten auf. Vielleicht überraschen Sie sich selbst und es entwickelt sich mehr daraus.

Die
Mitte

Über den mittleren Teil einer Kurzgeschichte ist nicht viel zu sagen, weil Sie hier nach Lust und Laune schalten und walten können. Einzige Bedingung: Sie müssen ihre Geschichte planvoll auf das Ziel (den Schluss) hin vorantreiben und dabei so interessant und spannend schreiben, dass die Leser bei der Stange bleiben.

Einige Dinge sollten Sie bedenken:

  • Manche Kurzgeschichten enthalten furchtbar viele, ausführliche Beschreibungen, aber wenig Handlung. Das wird schnell langweilig. Eine häufiges Problem, gerade bei Anfängern: Es gibt keine Überraschungen. Wenn jemand jedoch schon zu Anfang ahnt oder weiß, was geschehen wird, ist er wenig motiviert weiterzulesen. Viele Beschreibungen, wenig Handlung, keine Überraschungen: So etwas können sich nur Künstler erlauben, die einen besonders anschaulichen, ja dichterischen Stil beherrschen. Alle anderen „Schreiberlinge“ langweilen das Publikum damit nur.

  • Stichwort Erzählperspektive. Überlegen Sie, aus wessen Sicht Sie die Geschichte schildern wollen. Gibt es einen Ich-Erzähler? Oder erzählen Sie in der dritten Person? Besonders bei kurzen Texten empfiehlt es sich, bei einer Perspektive zu bleiben. Auf keinen Fall sollten Sie planlos verschiedene Sichtweisen mischen. Das überfordert die Leser.
    Kurzkrimis erzählt man gerne aus der Sicht des Täters. Dafür gibt es einen guten Grund: Auf drei bis zehn oder auch fünfzehn Seiten hat der Autor nicht viel Zeit eine Welt zu entwerfen und auch noch verschiedene Personen zu beschreiben. Also versetzt er sich in den Kopf der einen Person, ohne die kein Krimi auskommen kann, nämlich in den des Täters. Und schildert dann alles aus seiner Sicht.

  • Apropos Textlänge: Überlegen Sie, ob Sie viel oder wenig Dialoge verwenden möchten. Durch direkte Rede wird eine Geschichte lebendiger, aber auch länger.

  • Manchmal wächst eine Figur dem Autor und auch den Lesern ans Herz, aber dann ist die Geschichte auch schon – viel zu früh – vorbei. Die Lösung: wiederkehrende Protagonisten, sozusagen Serienfiguren wie beim Fernsehen. Es spricht nichts dagegen, dieselbe Hauptperson öfter zu verwenden.

Aufgabe:

Suchen Sie aus Ihren Notizen die beste Idee für eine Kurzgeschichte (oder deren Anfang) aus und schreiben Sie eine erste Fassung. Notieren Sie einfach, was Ihnen einfällt. Überarbeiten können Sie es später.

Der
Schluss

Die letzten Sätze entscheiden darüber, wie ein Leser eine Geschichte beurteilt und im Gedächtnis behält. Beenden Sie Ihre Kurzgeschichte also so, dass der Leser keinesfalls enttäuscht, sondern zufrieden und, im besten Fall, überrascht ist.

Die Bestseller-Autorin Isabel Allende sagte in einem Interview: „Eine Kurzgeschichte kommt als Ganzes; es gibt nur ein passendes Ende für sie … Wenn Sie dieses Ende nicht finden können, haben Sie keine Geschichte ... Für mich ist eine Kurzgeschichte wie ein Pfeil; sie muss von Anfang an richtig ausgerichtet sein und Sie müssen genau wissen, wohin Sie zielen.“

Wie kann eine Geschichte aufhören? Mit einem glücklichen, einem unglücklichen oder einem offenen Ende. Sie können ein Rätsel lösen und ein neues aufgeben, so dass der Leser die Geschichte in seiner Fantasie weiterspinnen kann. Sie können mit einer Pointe aufhören oder (beliebt bei Kurzkrimis) einem „twist in the tail“, also einer unerwarteten Wendung.

Dass die Geschichte (zumindest für viele Leser) ein überraschendes Ende nimmt, können Sie natürlich beeinflussen, indem Sie zuvor eine falsche Fährte legen – oder auch mehrere.

Der amerikanische Autor und Schreiblehrer John Gardner meinte, es gäbe nur zwei Arten von Enden. (So zitiert ihn der Drehbuchautor John August in seinem Blog.) Das eine sei die (Auf)Lösung: Der Mörder ist gefasst, der Diamant gefunden oder die Herzensdame erobert. Das andere die logische Erschöpfung: Die Geschichte hat ein Stadium endloser Wiederholungen erreicht. Wenn etwa die Hauptperson in einem leeren Ritual gefangen ist oder immer wieder eine falsche Reaktion zeigt. Die Auflösung sei der klassische und (besonders emotional) befriedigendere Schluss.

Aufgabe:

Überlegen Sie sich verschiedene Möglichkeiten, wie Ihre Kurzgeschichte – die Sie hoffentlich als Übung zur vorherigen Lektion geschrieben haben – enden könnte. Was würde ein Leser auf keinen Fall erwarten, was wäre ein Knalleffekt? Oder ist ein offenes Ende stimmiger? Eine humorvolle Schlusspointe? Müssen Sie die übrige Geschichte überarbeiten, damit das Ende passt, einiges mehrdeutig formulieren oder weglassen, damit die Überraschung größer ist?

Schreiben, schreiben,
schreiben

Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem amerikanischen Autor Dean Wesley Smith. Er stellte sich die Aufgabe, in einem Jahr 100 Short Storys zu schreiben. So etwas kann ein guter Ansporn sein – selbst wenn es nicht klappt. Dean Wesley Smith schaffte 2011 „nur“ 32 Kurzgeschichten, neben seinen übrigen Büchern und Texten, und war damit verständlicherweise hochzufrieden.

Sie können natürlich bescheidener anfangen, zum Beispiel mit einer Geschichte pro Monat. Dann haben Sie nach einem Jahr zwölf – genug für ein Büchlein.

Aufgabe:

Schreiben Sie eine Kurzgeschichte und noch eine und noch eine. Denn Schreiben ist ein Handwerk und Übung macht den Meister.

Fazit

  • Wie bei jedem Text sind Anfang und Ende einer Kurzgeschichte besonders wichtig.

  • Der Anfang muss den Leser neugierig machen und verlocken weiterzulesen.

  • Das Ende sollte den Leser keinesfalls enttäuscht zurücklassen, sondern zufrieden und, im besten Fall, überrascht.

  • Dazwischen, im Mittelteil, dürfen Sie sich kreativ austoben, vorausgesetzt Sie treiben ihre Geschichte planvoll auf das Ziel (den Schluss) hin voran und schreiben so interessant und spannend, dass die Leser bei der Stange bleiben.

So finden Sie Leser für Ihre Geschichten

Sie haben Ihre Kurzgeschichte geschrieben und so lange überarbeitet, bis es nichts mehr zu verbessern gab. Sie haben sie anderen zu lesen gegeben und Zuspruch bekommen. Oder Kritik und die Geschichte erneut überarbeitet. Und jetzt?

Am besten wäre es, Sie schrieben gleich noch einige mehr.

Doch spätestens dann sollten Sie sich überlegen: Was tun mit dem guten Stück beziehungsweise den guten Stücken? Damit andere lesen können, was Sie sich ausgedacht haben.

Hier einige Anregungen:

  • Sie können Ihre Kurzgeschichte ins Internet stellen. Zum Beispiel auf Ihrer Website oder in einem Blog, das Sie dafür eröffnen, oder auf entsprechenden Websites für Autoren. Oder sie bei Scribd hochladen und in Ihrem Blog dorthin verlinken.

  • Sie können Ihre Kurzgeschichte einer Zeitschrift anbieten, die solche Storys veröffentlicht.

  • Reichen Sie Ihre Geschichte bei einem Wettbewerb oder bei einer Ausschreibung für eine Anthologie ein. Dabei ist meistens ein Thema vorgegeben. Vielleicht haben Sie zufällig etwas Passendes. Oder Sie betrachten es als Anstoß, eine neue Story zu schreiben.

    Wettbewerbe und Ähnliches finden Sie zum Beispiel hier: www.uschtrin.de/preise_genre.html und www.uschtrin.de/litzs.html (Literaturzeitschriften, die evtl. Kurzgeschichten veröffentlichen)
    www.literaturport.de/index.php?id=33

    Oder suchen Sie im Internet, zum Beispiel nach „Ausschreibungen + Anthologien“.

    Wenn Sie sich an einem Wettbewerb beteiligen, halten Sie unbedingt die Regeln ein. Sonst kann es passieren, dass man Ihre Geschichte gar nicht erst liest.

Abonnieren Sie den E-Mail-Newsletter von Sandra Uschtrin. Er enthält Informationen über aktuelle Ausschreibungen.

  • Wenn Sie eine Reihe von Kurzgeschichten geschrieben haben, können Sie versuchen einen Verlag zu finden, der sie als Buch herausbringt. Das ist allerdings recht schwierig.

  • Oder Sie veröffentlichen die Geschichten selbst – als gedrucktes Print on Demand-Buch oder als digitales E-Book. Da gibt es inzwischen eine Reihe von Angeboten und Möglichkeiten.

Wichtig! Ehe Sie irgendetwas unterschreiben, sei es bei einem Verlag, sei es bei einem Anbieter für das Selbstveröffentlichen von Büchern, schauen Sie sich die Vertragskonditionen genau an.

  • Sie können allein oder mit Gleichgesinnten eine Lesung veranstalten und so ihre Kurzgeschichte(n) publik machen.

  • Produzieren Sie einen Podcast (also eine Art Hörbuch fürs Internet).

Aufgabe:

Lassen Sie die Welt an Ihren Kurzgeschichten teilhaben. Suchen Sie sich eine der oben genannten Möglichkeiten aus und unternehmen Sie die ersten Schritte.