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Erfahrungswissen: Der Bonus der Generation 45+

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Erfahrungswissen: Der Bonus der Generation 45+

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Was ist Erfahrungswissen? Das fragen sich nicht nur viele Unternehmen, sondern auch viele Ältere, viele von Arbeitslosigkeit Betroffene. Die Verantwortlichen in den Unternehmen halten das Erfahrungswissen häufig auf den ersten Blick für überholt. Für die Arbeitnehmer/innen selbst sind ihre Erfahrungen oft etwas Selbstverständliches. Erfahrungen sind ein Wissen, das sie einfach haben. Umso wichtiger ist es, die Vorzüge dieses Know-hows einmal explizit in Worte zu fassen.

"Ich habe Erfahrung": Dieses Argument, etwa in Vorstellungsgesprächen gebraucht, verliert durch die Kurzform eher an Wirksamkeit, als dass es jemanden beeindruckt. Warum? Sie beschreiben dabei nicht die Bedeutung oder Details Ihrer Erfahrungen.

Nutzen Sie also Beispiele für die angesprochenen Erfahrungen. Erfahrung ist andernfalls in unserer heutigen, sich schnell verändernden Arbeitswelt schnell mit Etiketten wie "alt" und "überholt" versehen. Der Stellenwert von erfahrungsgeleitetem Handeln hat jedoch nach wie vor große Bedeutung hat, selbst in der hochautomatisierten industriellen Produktion.

  • Lösungskompetenz wird immer wertvoller

Ich erwarte, dass das Erfahrungswissen sogar wieder wichtiger werden wird. Es wird zunehmend wichtig, mit einem gewissen Know-how an Herausforderungen heranzugehen. Lösungskompetenz wird angesichts der aktuellen Informationsflut an Bedeutung gewinnen. Menschen mit einem "Feeling" für schwierige Situationen, mit Ruhe, Gelassenheit und sozialer Kompetenz werden wissen, wie sie diese Herausforderungen lösen.

Viele Menschen sehen meiner Erfahrung nach oft ihre eigenen Stärken nicht. Diese stehen eben in keinem Ausbildungszeugnis. Unsere Stärken entstehen im Lauf des Berufslebens, ohne dass es uns meist bewusst ist: Wir lernen, machen Erfahrungen, werden gescheiter durch Versuch und Irrtum. Als Resultat dieser erlernten Stärken treffen wir schnellere und bessere Entscheidungen im Berufsalltag. Wir bekommen Probleme besser und schneller in den Griff. Solches Erfahrungswissen ist ein Profit für das gesamte Unternehmen und wirkt sich maßgeblich aus den langfristigen Unternehmenserfolg aus.

  • Verantwortungsbewusstsein und Führungskompetenz

Wir entwickeln im Lauf des Arbeitslebens auch Sinn für Qualität und Verantwortung. Wir lernen, zu urteilen und selbständig zu agieren. Wir erarbeiten uns Führungskompetenz. Alle diese Eigenschaften haben nicht unmittelbar mit dem Fachwissen zu tun. Viel mehr ergänzen die beiden Wissensbereiche einander.

Wir könnten es bildlich so darstellen: Das Fachwissen ist das Auto. Das Erfahrungswissen ist die Fähigkeit des Lenkers oder der Lenkerin, mit dem Gefährt umzugehen. Wie sinnvoll benutze ich das Fahrzeug? Wann gebe ich mehr Gas, wann weniger? Ich muss auf den Verkehr achten und auf den Verschleiß des Autos. Ich sollte nicht ständig mit Vollgas herum düsen, sondern mir die Wege ökonomisch einteilen. So komme ich manchmal schneller und gesünder ans Ziel als ein Raser. Ich habe noch keinen Autolenker erlebt, der nach einigen Fahrstunden so gut fährt wie einer, der seit Jahrzehnten unterwegs ist.

  • Was bringt es im beruflichen Alltag?

Nicht alle älteren MitarbeiterInnen haben diese Erfahrungen im gleichen Umfang. Auch jüngere Arbeitskräfte bzw. solche mittleren Alters können sich bereits Kompetenzen erworben haben. Doch in der Regel sind erfahrene Arbeitskräfte in den Unternehmen jene im höheren Lebensalter. Diese Menschen hatten bereits länger Zeit zum Üben, um Erfahrungen zu machen und auch aus Fehlern zu lernen. Sehen wir uns die Vorteile von Erfahrungswissen in einzelnen Berufen und Branchen an:

  • Denken wir zum Beispiel an den Verkauf. Wir freuen uns, wenn wir von einer erfahrenen Verkäuferin mit höflichem Umgang beraten werden. Sie geht auf ihre KundInnen ein und hat sich ein entsprechendes Fachwissen erarbeitet. Zufriedene KundInnen kommen immer wieder.

  • Langjährige Lagerarbeiter kennen Maschinen und Lagerorte in- und auswendig. Sie erkennen bereits die kleinsten Abweichungen vom gewohnten Surren der Maschinen und deuten das Problem umgehend. Sie können dadurch lange Ausfallzeiten vermeiden, weil sie rechtzeitig Wartungsarbeiten durchführen.

  • Die High-Tech-Branchen zählen auf berufliche Erfahrung und hohe Zuverlässigkeit. Sie rekrutieren aus diesen Gründen ältere MitarbeiterInnen. Erfahrenes Arbeiten gewinnt überall dort an Bedeutung, wo Problemlösungsfähigkeit gefragt ist. In High-Tech-Unternehmen tragen MitarbeiterInnen viel Verantwortung.

  • Die Entscheidungen müssen sitzen. Ein hochtechnisierter Arbeitsbereich erfordert langjährige Erfahrung. Komplexe Fertigungsprozesse lassen sich eben nicht technisch vollkommen beherrschen. Gute sinnliche Wahrnehmung, klares Vorstellungsvermögen und hervorragende Assoziationsfähigkeit sowie das Gefühl für Anlagen und Abläufe werden zu entscheidenden Ressourcen, insbesondere in der kapitalintensiven Produktion.

  • Eine erfahrene Sekretärin hat trotz aller Hektik und Eigenarten des Chefs die Termine im Griff. Sie bewahrt in Stresssituationen die Übersicht.

  • Die erfahrene Buchhalterin behält den Überblick über Zahlen, Konten und Rechnungen.

  • Eine erfahrene Führungskraft kennt ihr Team, sie weiß, wie sie die MitarbeiterInnen führt, und geht auf die Bedürfnisse der Menschen ein. Eine solche Führungskraft kann mit konstruktiver Kritik umgehen.

  • Ein erfahrener Arzt geht auf seine PatientInnen ein. Er stellt durch seine Erfahrungen schnell eine sichere Diagnose.

  • Ein Maschinenarbeiter hat es so beschrieben: "Man horcht nicht, aber man hat es immer drinnen. Da braucht man auch Erfahrung, bis man das heraußen hat ... Ja, man arbeitet und irgendwie hat man es im Kopf. Das nimmst du nicht wahr, dass du horchst, ich zumindest. Aber man horcht trotzdem. Man passt nicht auf das Geräusch auf, aber man hat es trotzdem drinnen." Eine solche Intuition ist aus erfahrungsgeleitetem Handeln erworben. Sie wird oft nicht einmal wahrgenommen, ist aber wertvoll für jedes Unternehmen.

Wir sollten uns dieser Stärken bewusst werden und sie zu artikulieren lernen. Es geht dabei nicht um Stolz oder Überheblichkeit gegenüber anderen, zum Beispiel Jüngeren. Viel mehr sollten wir uns klar machen, wie viel Potenzial wir zu bieten haben.

Aufgabe:

Überlegen Sie einmal selbst: In welchen anderen Berufen ist Erfahrung Ihrer Meinung nach wesentlich? Wie drückt sich diese Erfahrung aus? Denken Sie an Ihren eigenen Beruf oder an die Tätigkeit, die Sie - oft jahrzehntelang - erfolgreich ausgeübt haben. Diskutieren Sie diese Überlegungen und meine Fragen auch mit anderen Personen. Sammeln Sie Meinungen und weitere Beispiele. Erforschen Sie, allein für sich oder gemeinsam mit anderen: Welchen besonderen Wert können diese Fähigkeiten für ein Unternehmen haben?

  • Erfahrungswissen verliert man nicht

Wir können uns jetzt fragen: Haben wir diese Erfahrungen mit dem Abgang vom letzten Unternehmen verloren? Oder haben wir sie weiterhin parat? Können wir sie bei Bedarf in einem neuen Unternehmen wieder einsetzen?

Ein Teil Ihres Erfahrungsschatzes ist wahrscheinlich in Ihrer bisherigen Firma geblieben: etwa Ihr Wissen um interne ökonomische und informelle Informationskanäle; oder Ihr Gespür für die Beziehungen zwischen Ihren Kollegen und Kolleginnen. Dasselbe gilt für Ihre unmittelbar auf den Arbeitsplatz bezogenen Fertigkeiten.

Aber: Sie nehmen einen Großteil Ihres Erfahrungswissens mit. Dieses Wissen verliert seinen Wert nicht. Genau diese Kompetenzen, die Ihre Person umfassen, sind das so oft zitierte brach liegende Kapital. Diese außerfachlichen Qualifikationen werden durch die aktuelle Arbeitssituation wieder an Bedeutung gewinnen.

Sie umfassen folgende fünf Dimensionen:

  • Selbstständigkeit: die Fähigkeit, übertragene Aufgaben selbstständig zu erfüllen.

  • Motivation: die Fähigkeit, sich für die eigene Arbeit zu motivieren und sich mit den Aufgaben zu identifizieren. Äußere Kontrollen sind damit weitgehend unnötig.

  • Soziale und kommunikative Qualifikation: im Team zu arbeiten und miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren, empathisch für andere zu handeln und auch die Perspektive wechseln zu können. Dazu zählen auch die Fähigkeit zur Rollendistanz, Konflikte lösen zu können sowie sich durchzusetzen.

  • Reflexive Fähigkeiten: sich über das Arbeitsgebiet, die Aufgaben und die Bedingungen der Aufgabenerfüllung Gedanken zu machen. Dies geschieht etwa, indem man Zusammenhänge vergleicht, Dinge in Frage stellt, sie bewertet und verändert, wo es nötig ist. Dazu zählen Planen ebenso wie Kreativität.

  • Meta-Qualifikationen: die Fähigkeit, Qualifikationen zu erwerben und zu erweitern, sowie Informationen zu beschaffen, auszuwählen und mit anderem Wissen zu kombinieren.

Solche Kompetenzen kann man schwer fordern. Sie entwickeln sich aus unserem Engagement: etwa indem wir unsere Handlungen auf eine spezifische Situation abstimmen oder Lösungen für auftauchende Probleme improvisieren.

Wir stehen als Generation 45+ heute vor einem neuen Problem. Wir haben jedoch gleichzeitig die Kompetenz, um unsere Situation zu verbessern. Wir haben es in der Hand, die Lage älterer Menschen am Arbeitsplatz und unser Image zu verbessern. Diese Fähigkeiten heißen nicht zufällig "Handlungskompetenz".

  • Erfahrungswissen und die Zukunft der Arbeitswelt

Eine gut funktionierende Wirtschaft wird diese Potenziale wieder benötigen. Bleiben wir realistisch: Es kann dauern, bis die Unternehmen nicht nur umdenken, sondern auch danach handeln und die Potenziale der Generation 45+ tatsächlich in Anspruch nehmen.

Wir müssen zur Lösung der Probleme unsere eigenen Stärken einsetzen und ausbauen. Auch Erfahrungswissen kann und muss sich vermehren und jeweils auf dem aktuellen Stand bleiben. Gerade durch unsere jetzige Situation können wir unsere Fähigkeiten erweitern. Erfordert doch die Situation von den Betroffenen Mut, Ausdauer und Geduld sowie die Bereitschaft, auch negative Erlebnisse (wie Mobbing) im Guten hinter sich zu lassen. Wir können an den aktuellen Problemen wachsen und dabei Erfahrungen sammeln. Nicht immer verlieren bei Rationalisierungen tatsächlich die schlechteren MitarbeiterInnen ihren Job. Oft waren es jene, welche Charakter bewiesen haben, indem sie sich zum Beispiel nicht an Mobbingaktionen beteiligt haben. Solche Fähigkeiten werden bei MitarbeiterInnen in Zukunft an Bedeutung gewinnen:

  • Zuverlässigkeit: man kann sich auf diese Menschen verlassen.

  • Loyalität: man kann diesen MitarbeiterInnen vertrauen. Das wird für Unternehmen zunehmend wieder wertvoll.

  • Sie machen keine "blauen Montage".

  • Firmentreue: Ich lese im Zuge meiner Arbeit für die "Initiative Generation 45plus" viele Lebensläufe. Dabei fällt auf: Viele Mitglieder arbeiteten häufig sogar jahrzehntelang in ein und demselben Unternehmen. Heute gibt es gegenteilige Voraussagen, die in den USA bereits Realität sind: Demzufolge werden die Menschen in Zukunft etwa dreimal in Lauf eines Berufslebens den Beruf wechseln und zehnmal den Arbeitgeber. Was bedeutet das für die Unternehmen? Die Verantwortlichen sollten sich überlegen: Wie lange werden sie junge, neue MitarbeiterInnen im Unternehmen halten? Möglicherweise ist dies ein Vorteil für die Älteren: Sie bleiben dem Unternehmen länger treu. Ein weiterer Vorteil: Das Unternehmen muss nicht immer wieder neue MitarbeiterInnen einschulen.

Folgende Fragen werden für Unternehmen in Zukunft wichtig sein:

  • Wie kann ein Unternehmen gezielt den Erwerb von Erfahrungswissen bei seinen MitarbeiterInnen fördern?

  • Meine Gedanken dazu: Lassen Sie Ihre MitarbeiterInnen wie bisher länger in Ihrem Unternehmen arbeiten. Setzen Sie Ihre Arbeitskräfte so ein, wie es auch früher gut funktioniert hat. Sollten sich wirklich physische Probleme ergeben, wäre eine Beratung innerhalb des Unternehmens sinnvoll.

  • Wie kann ein Unternehmen die Übertragung von Erfahrungswissen an weitere Menschen fördern?

  • Meine Gedanken dazu: Die Maßnahmen vom ersten Punkt gelten auch hier. Zusätzlich sollten Sie als Unternehmen auch die jüngeren MitarbeiterInnen so entlohnen und in ihrer Entwicklung fördern, dass Sie dem Unternehmen länger erhalten bleiben.

Wenn jüngere und ältere MitarbeiterInnen längerfristig zusammenarbeiten, dann sind sie auch in der Lage, ihr Erfahrungswissen auszutauschen. Damit bleibt der Erfahrungsschatz in einem Unternehmen erhalten. Forderungen nach schneller Übertragung des Erfahrungswissens steigern hingegen die Spannungen zwischen den Generationen. Der Hintergrund dafür: Die Jüngeren werden indirekt dazu herausgefordert, schnell das Wissen aus dem "älteren" Kollegen herauszusaugen. Manchmal mag das Ziel, die Funktion des Älteren zu übernehmen, eine Rolle spielen. Die Älteren bekommen auf diese Weise aber nur das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Werden sie diesbezüglich misstrauisch, geben sie ihr Wissen wohl kaum bereitwillig weiter.

Wichtig für ein positives Miteinander der Generationen ist ein vertrauensvolles positives Arbeitsklima. Auch die Geschäftsleitung sollte ihre Wertschätzung beiden Generationen gegenüber ausdrücken. Erzwingen kann man nichts. Erfahrungswissen lässt sich am besten erfahren - und nicht aus Dokumenten oder Kursen erlernen.

Hierzu können Sie die "Checkliste Erfahrungswissen" nutzen (die wir Ihnen übrigens auch - in besserer Auflösung - zum Download bereitstellen: "Checkliste Erfahrungswissen").