Drehbuch schreiben für Einsteiger

Eine gute Figur machen: Widrigkeiten, oder: Das Leben könnte so schön sein, außer im Film ...

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Widrigkeiten, oder: Das Leben könnte so schön sein, außer im Film ...

Wenn das Ziel für den Protagonisten leicht zu erreichen wäre, wäre der Film nicht nur schnell zu Ende, sondern auch langweilig. Was wir uns für unser Leben wünschen, gilt im Film nicht. Im Gegenteil: Je größer die Widerstände und Hindernisse sind, je größer also die Konflikte sind, gegen die der Protagonist kämpfen muss, desto mehr hofft und bangt der Zuschauer mit ihm.

Je mehr der Zuschauer mit dem Protagonisten hofft und bangt, desto mehr ist er in das filmische Geschehen involviert. Man könnte fast sagen: Ohne Konflikt kein Film ... Die Drehbuchliteratur unterscheidet zwischen zwei Hauptarten des Konflikts: dem inneren Konflikt und dem äußeren Konflikt.

Innerer Konflikt

Beim inneren Konflikt hadert die Figur mit sich selbst. Sie hat Probleme, die sie in ihrem Inneren mit sich selbst austrägt. Diese Art des Konflikts funktioniert in der Literatur sehr gut, im Film jedoch nicht. Der Grund dafür besteht darin, dass der Film - wie auch schon weiter oben gesagt - nicht über die Stilmittel des inneren Monologs bzw. des auktorialen Erzählers verfügt. Innere Konflikte sollten daher immer in äußere Konflikte und somit in Handlung umgewandelt werden.

Beispiel:

Ich hadere mit mir selber, ob ich nun das appetitliche Stück Kuchen esse und damit noch mehr Hüftgold riskiere oder nicht - und damit unschönerweise auf Genuss verzichte.

Solange das Hadern nur in meinem Kopf geschieht, bekommt davon niemand etwas mit. Im Film will der Zuschauer mitbekommen, was mit der Figur los ist.

Sobald ich mir also das appetitliche Stück Kuchen auf den Teller lade, um es gleich wieder zurückzustellen - und mir damit beispielsweise den Unwillen meines Gastgebers zuziehe - oder um es mit schlechtem Gewissen zu essen, welches mich wiederum dazu bringt, eins meiner Kinder anzublaffen oder auf die Waage zu steigen, weiß der Zuschauer, was da gerade bei mir im Kopf los war …

Ein grandioses Beispiel dafür, wie ein innerer Konflikt in einen (scheinbar) äußeren gewandelt wird, ist "Fight Club".

Äußerer Konflikt

Der äußere Konflikt teilt sich in drei Unterarten auf:

  • Der kollektive Konflikt

    Hierbei sieht sich der Protagonist einer Gesellschaft, also einem Kollektiv gegenüber, das ihn aufgrund seines Handelns oder seiner Entscheidungen anfeindet. Ein Beispiel hierfür ist der Film "Angst essen Seele auf" von Fassbinder, in dem Brigitte Mira eine Beziehung mit einem Ausländer eingeht, der noch dazu jünger ist als sie. Sie wird dafür von ihrer Umgebung angefeindet und geschnitten.

  • Der Situationskonflikt

    Der Protagonist ist in eine für ihn unangenehme bis gefährliche Situation geraten. Ein Beispiel ist Detlev Bucks "Wir können auch anders". Joachim Krol kann nicht lesen, will aber mit seinem behinderten Bruder das Häuschen finden, das er geerbt hat. Beide machen sich gewissermaßen komplett hilflos auf den Weg.

    Zum Situationskonflikt gehören auch Konflikte mit untergehenden Schiffen, ausbrechenden Vulkanen, einschlagenden Meteoriten und sonstigen Katastrophen - Katastrophenfilme eben.

    Sowohl der kollektive Konflikt als auch der Situationskonflikt sind etwas unscharf. Wenn Sie sich an solche Filme erinnern, werden Sie feststellen, dass es meistens eine Figur gibt, die sich zusätzlich zu den anderen Problemen, die die Gesellschaft oder eine Situation so mit sich führen, als besonders renitent dem Protagonisten gegenüber erweist. Diese Figur übernimmt die Funktion des Antagonisten in einem Konflikt, der ansonsten reichlich diffus bleiben würde.

  • Der Antagonistenkonflikt

    Hier steht eine Figur, nämlich der Antagonist, dem Protagonisten im Weg. Der Antagonist tut alles, damit der Protagonist sein Ziel nicht erreicht. Der Antagonistenkonflikt ist der wirksamste aller Konflikte. Hier befindet sich der Protagonist gewissermaßen im Tête à Tête mit dem Antagonisten. Und das lässt den Zuschauer ganz besonders mit ihm hoffen und bangen.

Je dreidimensionaler die Figur des Antagonisten ist, desto interessanter wird der Konflikt.

Sie haben nun viel Drehbuchtheorie zum Thema Figuren und Konflikt mitbekommen und an den Filmen anderer Autoren und Regisseure überprüft. Jetzt ist es an der Zeit, selbst zu schreiben ...

Aufgabe: Figuren und Konflikt für den eigenen Film finden

Erfinden Sie für Ihren Film einen Protagonisten/eine Protagonistin, einen Antagonisten/Antagonistin und den Konflikt, den sie miteinander haben. Skizzieren Sie die Figuren und deren Konflikt. Halten Sie alles knapp, aber möglichst aussagekräftig.

Tipp 1: Nehmen Sie Figuren, die Ihnen Spaß machen. Sie müssen ja noch einen Film lang mit ihnen verbringen.

Tipp 2: Es reicht, wenn das Ganze von Umfang und Form her ungefähr und beispielsweise so aussieht: Protagonist: KURT, 43, schmächtig, etwas angegraut und verhuscht, Sachbearbeiter. Antagonistin: HELENA, alterslos, atemberaubend schönste Frau der Welt, arrogant und von ihren Verehrern mehr als gelangweilt. Konflikt: Als Kurt Helena sieht, trifft es ihn wie der Blitz. Er will sie. Unbedingt. Er wird alles tun, um ihr Herz zu erringen. Helena dagegen findet Kurt natürlich schrecklich. Der Mann hat keine Chance. Null. Niente. Basta.

Tipp 3: Je mehr Sie Ihren Konflikt zeitlich und räumlich begrenzen, desto geeigneter ist er für einen einfach zu realisierenden Kurzfilm. Beispiel: Ein konfliktgeladenes Abendessen, an dessen Ende einer der Essenden tot ist; eine Klavierstunde, an deren Ende klar ist, dass es die letzte Klavierstunde war, die der Schüler genommen hat oder der Lehrer zu geben bereit war.

Wenn Sie die zeitliche/räumliche Beschränkung zu sehr einengt, und/oder Sie etwas Größeres schreiben wollen, vergessen Sie, was ich eben geschrieben habe. Für alle und alles gilt: Keine Schere im Kopf haben.

Investieren Sie nicht mehr als eine Stunde in diese Aufgabe. Das reicht völlig.