Existenzgründung durch Betriebsübernahme oder Unternehmenskauf

Stellen Sie den Unternehmenswert fest

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Stellen Sie den Unternehmenswert fest

Eines der schwierigsten Kapitel überhaupt! Der Senior-­Unternehmer bemisst seine jahrzehntelange Arbeit, sein Lebenswerk, das er durch alle Höhen und Tiefen geführt hat, selten objektiv bzw. nach nachvollziehbaren Kriterien.

Zudem ist das Unternehmen in vielen Fällen die wesentliche Stütze seiner Altersversorgung, schließlich ist im Regelfall auch noch eine Familie, sind Kinder usw. zu versorgen. Und ganz oft spuken auch noch alte und nicht mehr zu akzeptierende Verfahren für die Wertermittlung durch die ersten Planungen ("ein Jahresumsatz" o. ä.).

Sie als potentieller Nachfolger sehen ggf., dass "der Lack ab" ist und in Gebäude oder neue Maschinen investiert werden muss. Vielleicht wird unproduktiv gearbeitet, möglicherweise erkennen Sie sogar, dass die Belegschaftsstärke zu hoch ist. Oder Sie sehen, dass in die künftige Kundengewinnung, in das Marketing, massiv investiert werden muss: Ein neuer Internetauftritt, Vertrieb und Akquise etc. verursachen Aufwand, der bisher unterblieb.

Der wichtigste Punkt von allen jedoch: Bei Ihnen ändert sich die gesamte Kostenstruktur gegenüber dem Alt-Inhaber schon dadurch, weil Sie den Kaufpreis finanzieren müssen - und die anfallenden Zinsen und die Darlehenstilgung müssen Sie nach der Übernahme mit diesem Betrieb verdienen.

Um in dieser Situation Konflikte zu vermeiden, sollten Sie sich mit dem Betriebsinhaber möglichst darüber verständigen, den Wert und letztendlich auch den Preis des Unternehmens durch eine neutrale Person ermitteln zu lassen.

Auch hier gilt das vorab Gesagte: Nur ein Berater, der entsprechende Qualifikationen und Erfahrungen mitbringt, ist hier zu gebrauchen - die Unternehmenswert-Ermittlung ist rein vom Verfahren her schon kompliziert, aber gerade die Aspekte, die nichts mit der Mathematik und der Betriebswirtschaft zu tun haben, machen diese Kernfrage so schwierig.

Zu guter Letzt darf ohnehin nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch beim Verkauf von Unternehmen Angebot und Nachfrage im Endeffekt den Preis bestimmen - auch für Unternehmen gibt es also einen Markt und einen Marktpreis.

Wer als Kaufinteressent im "Wettbewerb" mit mehreren anderen potenziellen Käufern steht, muss höchstwahrscheinlich einen höheren Preis akzeptieren, als wenn er allein auf weiter Flur ist.

Unternehmenswert ermitteln

An dieser Stelle soll nur sehr kurz auf die zwei grundsätzlich unterschiedlichen Ansätze eingegangen werden: Substanzwert- und Ertragswertverfahren.

Grundlegende Hinweise, wie Sie den Wert eines Unternehmens ermitteln, erfahren Sie im Beitrag "Unternehmenswert ermitteln".

Der Substanzwert aus Anlass eines Verkaufs entspricht dem Veräußerungserlös, der bei einer Liquidation erzielt worden wäre (im Prinzip also der Verkauf aller Vermögenswerte zu aktuellen Marktpreisen).

Dieses vergleichsweise simple Bewertungsverfahren wurde früher häufig eingesetzt, auch das bekannte "Stuttgarter Verfahren" muss hierzu gezählt werden. Ein Unternehmensverkauf auf der Basis des Substanzwertes wird heute jedoch krasse Ausnahme sein! Und dies aus mehreren Gründen: Eine Orientierung an Sachwerten hat keinerlei Einfluss auf den zukünftigen Erfolg - einfach gesagt, kann man eine tolle Betriebsimmobilie und einen gepflegten Maschinenbestand kaufen und trotzdem keinen Cent Umsatzerlös damit erwirtschaften.

Ein Unternehmer (in dem Falle Sie als potenzieller Käufer eines Betriebes) muss und wird eine Entscheidung über eine Investition (der Kauf eines Unternehmens) aber nur dann bejahen, wenn damit eine ausreichende Rendite erzielt werden kann. Das betriebliche Anlage- und Umlaufvermögen ist also nicht als Selbstzweck, sondern ausschließlich als Mittel der Gewinnerzielung anzusehen.

Unumstritten gilt das Ertragswert-Verfahren heute als die "richtigere" Unternehmensbewertungsmethode. Und dies ist eben darin begründet, dass ein Unternehmenskäufer keinen Preis zahlen wird, bei dem sich der investierte Kaufpreis nicht genügend verzinst.

Die Ertragskraft und damit Kapitaldienstfähigkeit einer Unternehmung ist im Zuge der Unternehmensnachfolge von entscheidender Bedeutung, denn der Nachfolger muss aus den Erträgen nicht nur die im Unternehmen erforderlichen Investitionen, sondern auch seine Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Kauf der Unternehmung finanzieren.

In Kürze - so funktioniert es:

Die Betriebsergebnisse des Unternehmens der letzten drei Jahre werden bereinigt um alle außerordentlichen Erträge und Aufwendungen, also um alles, was nichts mit dem normalen Betriebsgeschehen zu tun hat.

Der Durchschnitt dieser bereinigten Betriebsergebnisse wird errechnet. Dieses Ergebnis wird auch als das "nachhaltig erzielbare Betriebsergebnis" bei Weiterführung des Unternehmens bezeichnet.

Im Regelfall werden auch Finanzplanungen für die nächsten Jahre - die Jahre nach einer Übernahme - erarbeitet und mit in die Berechnungsgrundlagen einbezogen. Sehr vereinfacht dargestellt, wird das letztlich ermittelte, durchschnittliche Betriebsergebnis dann auf den heutigen Tag abgezinst. Der Zinssatz orientiert sich dabei am langfristigen Zins von z. B. Bundesobligationen zzgl. eines Zinsaufschlages zur Abgeltung des (deutlich höheren) Unternehmer-Risikos. Üblich sind heute wegen dieses höheren Risikos Zinssätze zwischen 12 - 15 %, zum Teil auch bis zu 18 - 20 %.

Beispiel:

Der "nachhaltige Ertrag" eines Unternehmens wird - vereinfacht - so ermittelt:

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Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre (Durchschnitt ermitteln)

(-) kalkulatorischer Unternehmerlohn (Einzelfirmen, Personengesellschaften)

(-) außerordentliche Erträge (Zuschüsse, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben)

(+) außerordentliche Aufwendungen (Sonderabschreibungen, Spenden)

= Durchschnittliches Betriebsergebnis

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Der nachhaltige Ertrag des zu veräußernden Unternehmens soll bspw. 100.000 Euro betragen.

Der Käufer wird nun ermitteln, wie viel Kapital er anlegen müsste, um bei einer - als Beispiel - zwölfprozentigen Verzinsung 100.000 Euro Zinsen zu erhalten. Das ist eine einfache Rechnung mit der Zinsformel, im Ergebnis:

Strebt der Käufer eine Kapitalverzinsung von mindestens 12 % an, liegt der für ihn maximal akzeptable Kaufpreis für ein Unternehmen mit einem Gewinn von 100.000 Euro bei 833.000 Euro (anderenfalls wäre eine alternative Kapitalanlage für ihn günstiger).

Geht der Käufer wegen eines höheren Risikos beispielsweise von einem Zinssatz von 18 Prozent aus, kann er nur noch einen Kaufpreis von 555.000 Euro akzeptieren.

Das bedeutet: Bei der Berechnung zur Ermittlung des Unternehmenswertes ist die Höhe des Kapitalisierungszinsfußes von ebenso großer Bedeutung wie die Höhe des abzuzinsenden Ertrages selbst. Dies wird immer Inhalt intensiver Verhandlungen sein.

Eine Besonderheit stellt die Bewertung von Freiberufler-Praxen dar - von Arzt-, Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater-Praxen:

Hier werden unterschiedlich ausgelegte "Multiplikatorenmethoden" angesetzt - letztlich handelt es sich immer um einen Faktor, mit dem der Umsatz eines Jahres (bzw. eines anderen Zeitraumes) oder das Betriebsergebnis multipliziert wird. Manchmal wird auch eine Mischform von Substanzwert- und Multiplikatoren-Methode angewandt - so bei Arztpraxen: Wert von Einrichtung und Ausstattung + ein Multiplikator für den Umsatz.

Beispiele für dieses Verfahren

Der Kaufpreis für Steuerberater-Praxen wird oft ermittelt, indem man einen errechneten Umsatz (Empfehlung des IDW: "nachhaltiger" Jahresumsatz oder Durchschnitt der letzten 3-4 Jahresumsätze; Empfehlung der BStBK: voraussichtlicher Netto-Jahresumsatz) mit dem Faktor 1,0 bis 1,5 multipliziert.

Bei Rechtsanwaltspraxen wird ein Jahresumsatz (Empfehlung der BRAK: durchschnittlicher Jahresumsatz der letzten 3 Jahre) dagegen nur mit 0,5 multipliziert.

Die sogenannte "Ärztekammerformel" sieht wiederum anders aus: Ein Drittel des Jahresumsatzes der Arztpraxis plus der Wert der Geräte, der Technik und der Einrichtung. An dieser Formel wird sich im Übrigen auch oft orientiert, wenn es um den Verkauf einer Physiotherapie-Praxis oder ähnlicher Therapeutenpraxen geht (dann aber 1/2 bis 1/3 Jahresumsatz + Inventar).

Erneut kann an dieser Stelle nur wiederholt werden: Mit einem betriebswirtschaftlich plausiblen Ansatz hat diese Art der Wertermittlung nicht viel zu tun - auch wenn dies "branchenüblich" ist.

Für einen Kaufinteressenten muss letztlich klar werden: Werde ich mit der Zahlung des Kaufpreises mit größtmöglicher Sicherheit genug Umsatz und Gewinn erwirtschaften können, um

a) alle betrieblichen Kosten abzudecken?

b) meinen persönlichen Lebensbedarf abzusichern?

c) den Kapitaldienst für die Kaufpreisfinanzierung (Zinsen + Tilgung) aufzubringen?