Erste-Hilfe-Koffer Unternehmenskrise

Unternehmenskrise: "... wie aus heiterem Himmel"

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Unternehmenskrise: "... wie aus heiterem Himmel"

Wenn man mit Unternehmern spricht, deren Betrieb sich in einer Krise befindet, hört man unglaublich oft, das sei "völlig überraschend" gekommen. Dafür hat es "keine Anzeichen" gegeben, gerne gibt in diesem Zusammenhang auch einfache Erklärungen bspw. "die Dumpingpreise der Konkurrenz" oder auch "weil die Kunden einfach nicht zahlen".

Auch wenn der Betriebsinhaber dies so empfindet - die Wahrheit liegt hinter diesen vordergründigen Erkenntnissen versteckt. Die Hintergründe für Unternehmenskrisen liegen in erstaunlich hoher Zahl in Themenbereichen und bei Fakten, die für viele Betriebsinhaber gar nicht so schmeichelhaft sind. CREDITREFORM veröffentlichte die Ergebnisse einer Untersuchung zur Klärung von Insolvenzgründen. Sie listeten u.a. auf:

  • "Probleme mit der Finanzierung" mit 20,4 % aller Insolvenz-Ursachen.

  • Der Bereich "Absatz, Auftragslage, Konkurrenz" mit 34,4% der Ursachen.

  • Und sie sagten schließlich zu "Managementfehlern": In 71,4% aller Fälle mit ursächlich für das Scheitern eines Unternehmens!

EULER HERMES, der renommierte Kreditversicherer, veröffentlichte eine Studie, bei der 125 erfahrene Insolvenzverwalter befragt worden waren nach ihrer Einschätzung der häufigsten Gründe für eine Zahlungsunfähigkeit. Diese bestätigten zu 71% das Statement "Die wichtigste Insolvenz-Ursache ist immer die Geschäftsführung" voll oder weitgehend.

Und im Detail betrachtet, wurden folgende Aspekte besonders hervorgehoben:

Fehlendes Controlling

79%

Finanzierungslücken

76%

Unzureichendes Debitorenmanagement

64%

Autoritäre, rigide Führung

57%

Mangelhafte Transparenz und Kommunikation

44%

Da sind sie also, die "unvorhergesehenen" und "völlig überraschenden" Gründe für schwere Krisensituationen. In den weitaus meisten Fällen, das zeigen Analysen deutlich, liegen sie bei Versäumnissen der Unternehmensleitung, ob man das nun gerne hören mag oder auch nicht ...

Lassen Sie mich aber einlenken: Selbstverständlich gibt es plötzlich eintretende bzw. nicht planbare Krisensituationen - denken wir an den Handwerker, der seine Rechnungen nicht bezahlt bekommt, weil ein wichtiger und großer Auftraggeber selbst zahlungsunfähig wird. Denken wir an den Kunststoffbetrieb, dessen wichtigster Auftraggeber urplötzlich bekannt gibt, dass er seine komplette Fertigung in Deutschland aufgibt und nach Asien verlagert - mit diesem langjährigen Stammkunden gehen zwei Drittel des Umsatzes verloren. Denken wir an die Kauffrau, deren Ehemann sich in einer privaten Beziehungskrise von ihr trennt und die durch Ausgleichszahlungen in einen nicht mehr finanzierbaren Liquiditätsengpass gerät.

Gerade private Krisen wirken sich außerordentlich oft unmittelbar auf den Betrieb aus - seien es Trennungen, Scheidungen oder auch die Folgen von Unfällen bzw. schwere Erkrankungen und natürlich Todesfälle. Leider ist jedoch festzustellen, dass auch für solche Fälle viel zu selten Vorsorge getroffen wird: Nur rund 25% aller Inhaber mittelständischer Unternehmen haben einen Notfallplan nach dem Motto "Wie geht es ohne mich weiter?".

"Je sorgfältiger Du planst, desto wirkungsvoller trifft Dich der Zufall" mag daher das Motto aller Unternehmer sein, die ganz viele Gründe finden, warum eine solche Notfallplanung, aber auch die Erarbeitung von Businessplänen, die Erstellung einer Finanzplanung, eine rollierende Liquiditätsplanung, Controlling und ein konsequentes Debitoren-Mamagement für überflüssig gehalten wird, für "theoretischen Kram".

"Wie geht es ohne mich weiter?"

Einen ersten Hinweis darauf, wie Sie rechtzeitig für den Fall plötzlicher, schwerer Krankheit oder aus Altersgründen Ihre Nachfolge regeln können, verrät der Beitrag: "Unternehmensnachfolge und Geschäftsübernahme".

Von welchen Unternehmen sprechen wir?

Damit an dieser Stelle deutlich wird, über welche Betriebe und Unternehmen wir hier sprechen: Es sind die kleinen und mittleren Unternehmen - die KMU. Nach der aktuellen EU-Definition werden sie wie folgt charakterisiert:

  • Kleinstunternehmen
    Weniger als zehn Beschäftigte und Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro oder Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro.

  • Kleinunternehmen
    Weniger als 50 Beschäftigte und Jahresbilanzsumme von höchstens zehn Millionen Euro oder Jahresumsatz von höchstens zehn Millionen Euro.

  • Mittlere Unternehmen
    Weniger als 250 Beschäftigte und Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro oder Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro

Wenn also aktuell in der Wirtschaftspresse von Unternehmen, wie der Dresdner Bank, wie dem Airbus-Konzern EADS usw. gesprochen wird, die ebenfalls "restrukturiert" werden, so sind diese Global Player hier nicht angesprochen - wir beschäftigen uns nicht mit den Problemen von international tätigen Konzernen. Wir schauen uns an, womit sich ein Mittelständler auseinander setzen muss.

Anzahl der Insolvenzen verdoppelt

Die Inhaber kleinerer und mittlerer Unternehmen, die hier im Fokus stehen, stehen leider auch im Mittelpunkt der Statistiker, wenn Unternehmensinsolvenzen untersucht werden: In den letzten 11 Jahren hat sich die Zahl von Unternehmensinsolvenzen mehr als verdoppelt!

Und für die meisten insolventen Unternehmen gilt nach den Untersuchungsergebnissen von CREDITREFORM: Sie haben nur wenige MitarbeiterInnen, machen geringe Umsätze und sind jung: Der Anteil an "Mikrobetrieben" mit einem Umsatz bis 100.000 Euro, die Konkurs anmelden mussten liegt bei 20,3 Prozent - das entspricht 7.690 Unternehmen. Bei weiteren 23,3% (8.760 Betriebe) liegt der Umsatz bei maximal 250.000 Euro und noch einmal 18,4% (8.670) der Betroffenen erreichen eine Umsatzgröße von 500.000 Euro. Damit sind in der Summe 62 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen bei den "Kleinstunternehmen" angesiedelt!

Die ersten sechs Jahre ...

Insolvenzgefährdet sind Betriebe insbesondere in den ersten sechs Jahren ihres Bestehens: 45,5 Prozent der Insolvenzen werden von Unternehmen beantragt, die jünger als sechs Jahre sind.

CREDITREFORM führte weiter aus: Je früher insolvenzgefährdete Unternehmen spezifische Beratungsangebote wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist, dass die Sanierungsbemühungen erfolgreich verluafen und (die Mehrzahl aller) Arbeitsplätze gerettet werden können. Das allerdings scheint eines der größten Probleme von Unternehmern zu sein: Zuzugeben, das man nicht mehr alleine weiterkommt, vorhandene Probleme klar zu artikulieren, Hilfe und Unterstützung zu holen.

In der Studie "Restrukturierung in Europa 2005" vom November 2005 (Roland Berger Strategy Consultants) wurde hierzu festgestellt, dass Unternehmer - auf einen einfachen Nenner gebracht - viel zu lange warten und mit großer Verzögerung auf Krisenanzeichen reagieren: Nur 50 Prozent handeln innerhalb von zwölf Monaten. Der Durchschnitt braucht jedoch 16 Monate, um auf eine Krise zu reagieren und die Restrukturierung einzuleiten!

Diese Zeit übersteht ein Unternehmen nur ab einer bestimmten Größe - und mit einer ausreichenden Eigenkapitalbasis (die in dieser Zeit dann aufgezehrt wird). Kleinere Betriebe haben keine Chance ein Jahr oder länger darauf zu warten, dass sich die Situation wieder bessert - von selbst, irgendwie halt ...