Freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige: Reform 2011

Weiter sinnvoll - oder nicht?

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Weiter sinnvoll - oder nicht?

Macht die freiwillige Arbeitslosenversicherung dann noch Sinn für mich?

Von einem Versicherungs-Schnäppchen kann demnach wahrlich nicht mehr die Rede sein. Sie denken darüber nach, als Gründer in die freiwillige Arbeitslosenversicherung einzutreten oder als Versicherter das Sonderkündigungsrecht in Anspruch zu nehmen? Dann sollten Sie für Ihren Einzelfall ganz genau prüfen, ob es Umstände gibt, die auf Dauer den finanziellen Aufwand von monatlich gut 75 Euro rechtfertigen (pro Jahr also rund 900 Euro - Tendenz: steigend!). Aspekte, die für die Versicherung sprechen, sind zum Beispiel ...

  • die persönlichen Lebensumstände (z. B. Familienversorger),

  • Ihr persönliches Sicherheitsbedürfnis (insbesondere bei fehlenden Erfahrungen mit der Selbstständigkeit),

  • ein in Ihrer Branche objektiv hohes Risiko, in ein Auftragsloch zu fallen oder auch

  • der individuelle Anspruch auf Arbeitslosengeld, der sich im Ernstfall für Sie ergibt.

Die Höhe der Leistungen und Ansprüche im Versicherungsfall

An Höhe und Dauer des möglichen Arbeitslosengeld-Anspruchs ändert sich in Zukunft grundsätzlich nichts. Bei Selbstständigen werden die Leistungen auf Basis sogenannter Qualifikationsgruppen berechnet. Je nach Familienstand, Steuerklasse und formaler Qualifikation (mit/ohne Berufsausbildung/Fach(hoch)schule/Universität) liegt das monatliche Arbeitslosengeld zurzeit zwischen ...

  • gerade mal 400 Euro (Lohnsteuerklasse V, Wohnsitz Ost, ohne Kindesunterhaltspflicht, ohne abgeschlossene Berufsausbildung) und

  • über 1.400 Euro (Lohnsteuerklasse III, Wohnsitz West, Kindesunterhalt, Hochschulabschluss).

Vor allem für höher qualifizierte Selbstständige, die von ihrem dauerhaften geschäftlichen Erfolg (noch) nicht überzeugt sind, kann sich die Arbeitslosenversicherung auch in Zukunft lohnen. Kurzfristig gilt das vor allem für ältere Versicherte, die noch Restansprüche aus Vorversicherungszeiten haben und die je nach Lebensalter Anspruch auf eine verlängerte ALG-I-Anspruchsdauer (von 15 bis zu 24 Monaten) haben.

Wer keine Restansprüche mehr hat, erwirbt den sechsmonatigen Basisanspruch auf Arbeitslosengeld I übrigens erst nach 12 Monaten Beitragszahlung. Die maximale Anspruchsdauer von 12 Monaten hat ein Versicherter erst dann, wenn er zuvor 24 Monate lang Beiträge eingezahlt hat.

Freiwillige Arbeitslosenversicherung: Der große Leitfaden mit vielen Tipps

Einzelheiten zur Ermittlung von Dauer und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld finden Sie in unserem ausführlichen Praxisleitfaden: "Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige".

Bitte beachten Sie: Im Rahmen der freiwilligen Arbeitslosenversicherung erwerben Sie nicht nur Ansprüche auf Arbeitslosengeld und die dazugehörigen Sozialversicherungs-Zahlungen. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, können Sie auch in den Genuss anderer Leistungen nach dem SGB III kommen. Dazu zählen unter anderem ...

  • Qualifizierungsmaßnahmen,

  • Übergangsgeld bei medizinischen Reha-Maßnahmen und

  • der Gründungszuschuss.

Unter Umständen ist sogar eine wiederholte Gründungsförderung möglich.

Anspruch und Wirklichkeit: Wann können Selbstständige sich tatsächlich arbeitslos melden?

Der grundsätzliche Anspruch auf Arbeitslosengeld bedeutet leider nicht in jedem Fall, dass bei betrieblichen Flauten auch tatsächlich sofort Geld fließt. Bundesweit verallgemeinerbare Erfahrungen gibt es nicht: Während die Leistungen an freiwillig versicherte Arbeitslose mancherorts anstandslos bewilligt werden, machen andere Arbeitsagenturen arbeitslosen Selbstständigen das Leben unnötig schwer.

Grundsätzlich unterscheidet das Sozialgesetzbuch III beim Leistungsbezug nicht zwischen Angestellten und Selbstständigen. Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn der Versicherte ...

  • weniger als 15 Wochenstunden für sein Geschäft arbeitet - wohlgemerkt inklusive aller vor- und nachgelagerten Tätigkeiten, wie Warte-, Fahrt- oder Betriebsöffnungszeiten, aber auch Buchführung, Werbung, Weiterbildung etc.

  • die "Anwartschaftszeit" erfüllt hat (mindestens zwölf Monate Versicherungszeiten während der letzten 24 Monate - sei es als Selbstständiger oder zuvor als Arbeitnehmer),

  • daneben keine anderen selbstständigen Tätigkeiten oder abhängigen Beschäftigungen ausübt (oder zusammen mit der Selbstständigkeit insgesamt unterhalb der 15-Stundengrenze bleibt),

  • sich rechtzeitig (= innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis der drohenden Arbeitslosigkeit) arbeitslos meldet,

  • dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und

  • sich nachweislich bemüht, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden und Termine bei der Arbeitsagentur wahrnimmt.

Wichtig: Manche Arbeitsagenturen verlangen vor Bewilligung von Leistungen den Nachweis, dass die Selbstständigkeit beendet worden ist (z. B. durch Vorlage der Gewerbeabmeldung). Das entbehrt in den meisten Fällen jeder Grundlage: Niemand darf gezwungen werden, seine Selbstständigkeit aufzugeben, nur um Arbeitslosengeld zu bekommen!

Im Gegenteil: Dass Arbeitslose bis zu 15 Stunden pro Woche selbstständigen Nebentätigkeiten nachgehen dürfen, ist in § 141 SGB III verankert und von der Bundesagentur sogar ausdrücklich erwünscht - vorausgesetzt natürlich, die erzielten Einkünfte werden offengelegt.

Bitte beachten Sie: Die für pflichtversicherte Arbeitslose bestehende Möglichkeit, sich vorübergehend aus der Arbeitslosigkeit abzumelden und nach Erledigung eines Auftrags erneut arbeitslos zu melden, ist für freiwillige Mitglieder extrem beschnitten: Deren Versicherungsverhältnis endet laut § 28a Abs. 5 SGB III (neue Fassung) automatisch, sobald sie Arbeitslosengeld beziehen. Die freiwillige Versicherung muss anschließend neu beantragt werden. Das ist gemäß Absatz 2 derselben Vorschrift aber nur einmal zulässig.

Vorsicht Versicherungsfalle? Wie Sie aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung rauskommen

Versicherte, die aufgrund der Beitragserhöhungen oder aus anderen Gründen ihre freiwillige Arbeitslosenversicherung beenden wollen, haben grundsätzlich drei Möglichkeiten:

  • rückwirkende Sonderkündigung zum 31.12.2010 (gilt nur bei Kündigung bis 31. März 2011),

  • reguläre Kündigung, die aber erst nach Ablauf von fünf Jahren zulässig ist. Die Kündigungsfrist beträgt in dem Fall drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

  • Einstellen der Beitragszahlung: Das Versicherungspflichtverhältnis endet automatisch, sobald der Versicherte länger als drei Monate in Verzug ist.

Ob, und wenn ja, welche Nachteile Variante 3 gegenüber den beiden regulären Kündigungsarten hat (zum Beispiel in Bezug auf zwischenzeitlich erworbene Ansprüche), ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Fazit

Die Entfristung der Arbeitslosenversicherung für Selbstständige ist erfreulich. Durch die happigen Beitragserhöhungen hat sie allerdings viel von ihrer Attraktivität verloren. Für sicherheitsbedürftige Gründer und Selbstständige mit eher trüben Geschäftsaussichten dürfte sich die Absicherung trotzdem weiterhin lohnen. Das gilt vor allem dann, wenn aufgrund hoher formaler Qualifikation ein vorübergehend existenzsicherndes Arbeitslosengeld zu erwarten ist.

Erfahrene Selbstständige, die vom Erfolg ihres Geschäftsmodells überzeugt sind, im Ernstfall nur geringe Leistungsansprüche und/oder keine Familie zu versorgen haben, legen die monatlich gut 75 Euro vermutlich besser auf die hohe Kante. Sollten wider Erwarten alle Stricke reißen, können hilfebedürftige Selbstständige ohne Versicherungsansprüche Arbeitslosengeld II (= "Hartz IV") beantragen.

Wer unsicher ist, ob der Rettungsanker nötig ist, sollte sich zunächst für die (Weiter-)Versicherung entscheiden. Das Risiko hält sich in Grenzen: Bei Bedarf ermöglicht das Gesetz nach wie vor den sofortigen Ausstieg.