Bewerbung mit "Handicap"

Sie sind zu alt?

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Sie sind zu alt?

Wir alle wissen, dass ein etwas älterer Mensch einen Vorsprung an Lebenserfahrung hat. Gehen Sie doch einmal für sich persönlich der Frage nach, was genau Sie in Ihrem Leben erfahren haben und was Sie im Umgang mit den Höhen und Tiefen des Alltags heute kennzeichnet. Die folgende Übung macht etwas Arbeit und wird sich vermutlich über mehrere Tage hinziehen. Ihr Nutzen ist aber nicht zu unterschätzen:

  • Finden Sie 20 (berufliche und persönliche) Probleme, die Sie zu irgendeiner Zeit gelöst haben. Es müssen 20 sein, sonst verliert die Übung an Wirkung. Mag sein, dass Sie ein paar Tage brauchen, bis Sie 20 Probleme zusammen haben. Notieren Sie die Probleme.

  • Notieren Sie weiter: Was war Ihre Aktion? Was haben Sie getan, um das Problem zu lösen?

  • Was war das Resultat?

Wenn Sie damit fertig sind, diese drei Punkte für zwanzig Probleme zu notieren, werten Sie aus, was diese Probleme/Aktionen/Resultate über Sie aussagen.

Arbeitslose Ingenieure, Projektleiter etc. sollten eine Liste von Projekten erstellen, an denen Sie mitgewirkt haben.

Es wäre schade, wenn Sie sich in Zukunft um Stellen bewerben, in denen diese Kompetenzen, die Sie nun von sich selbst erkannt haben, gar nicht gebraucht werden.

Beispiel:

Aus Erfahrung weiß ich, dass Existenzgründer häufig mit zu geringem Kapital starten. Meine Art, Rat zu geben, ohne mit Rat zu erschlagen, wird auch von jungen Menschen gerne angenommen.

Lassen Sie sich nicht vom Jugendwahn verrückt machen, sondern suchen Sie Anstellungen, in denen Lebenserfahrung, fachliches Erfahrungswissen, Gelassenheit in Krisensituationen und sonstige Qualitäten, über die Sie verfügen, gefragt sind.

Die allgemeine Statistik besagt, dass ältere Personen für beratungsintensive Tätigkeiten gute Voraussetzungen haben. Auch Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Loyalität sind mit den Jahren in der Regel stärker ausgeprägt als bei jungen Menschen. Umfragen unter Unternehmern zufolge ist auch die Leistungsbereitschaft bei Menschen über 50 Jahren stärker ausgeprägt. Für die Jugend sprechen (im statistischen Durchschnitt) Teamfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Flexibilität.

Beispiel:

In langjähriger Projekterfahrung habe ich gelernt, auch knifflige Detailprobleme mit Diplomatie und einem gewissen Weitblick anzugehen. Ich stelle mir vor, dass das für das von Ihnen beschriebene Aufgabengebiet von großem Nutzen ist.

Nehmen Sie die Stellensuche als eine Herausforderung, nicht als Zumutung. Ganz sicher steht Ihnen eine Umstellung bevor, aber dafür sind Sie heute vermutlich relativ unabhängig, weil die Kinder aus dem Haus sind.

In einigen Branchen ist bereits spürbar, dass aufgrund der demografischen Entwicklung durchaus auch ältere Mitarbeiter gerne wieder eingestellt werden. Das betrifft aktuell z.B. Maschinenbau- und Elektroingenieure, Mechatroniker und Softwareingenieure. In jedem Falle benötigen Sie aber eine solide Ausbildung und Berufserfahrung, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Seien Sie achtsam, dass Sie den Anschluss an fachliche Entwicklungen nicht verpassen: Wenn zum Beispiel CATIA 5 erwartet wird, man selbst aber nur mit CATIA 1-2 umgehen kann, ist das ein großes Problem.

Wenn Sie Weiterbildungskurse besucht haben, die von der Bundesagentur für Arbeit finanziert wurden, seien Sie umsichtig, wie Sie das beschreiben. Sogenannte Bildungsträger, die in diesem Geschäftsfeld tätig sind, haben sehr unterschiedliches Niveau. Manch ein Arbeitgeber weiß aus Erfahrung, dass auch die Zertifikate dieser Einrichtungen in der Praxis manchmal vollkommen wertlos sind. Konzentrieren Sie sich auf die Fakten, z.B. wie die Bildungseinrichtung heißt und welche Kenntnisse Sie dort erworben haben.

Beispiel:

In den letzten vier Monaten habe ich in einem Vollzeitlehrgang bei der Gesellschaft für Irgendwas und Bildung mbH Kenntnisse in ABC erworben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kann ich die neuen Techniken heute sicher einsetzen und muss zugeben, dass die neuen Entwicklungsverfahren sehr effizient sind.

Seit Anfang 2004 habe ich bei www.akademie.de eine ganze Reihe von Workshops zu xx, YY und ZZ belegt. Auch von dem Erfahrungsaustausch mit anderen Kursteilnehmern mittels eLearning-Techniken habe ich sehr profitiert.

Seit August 2006 gilt übrigens das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" (AGG). Bis auf wenige sachlich begründetet Ausnahmen darf das Alter beim Einstellungsverfahren keine Rolle mehr spielen. Wer hier nachweisbar benachteiligt wurde, kann Schadenersatz verlangen und gegebenenfalls einklagen. Das ist nicht an ein bestimmtes Alter gebunden. Allerdings sind die allermeisten Absagen inzwischen so formuliert, dass man potenziellen Arbeitgebern keinen Strick mehr daraus drehen kann.

Nutzen Sie die Kontakte, die Sie im Laufe Ihres Arbeitslebens gewonnen haben, um sich neu zu orientieren. Die ehemaligen Kollegen bieten hier vielleicht nur wenige Neuigkeiten, aber was ist mit Kunden, informellen Kontakten und sonstigen Geschäftspartnern?

Sie wären auch nicht der/die Erste, der/die sich jenseits der 50 erfolgreich selbständig macht. Manchmal ist die Arbeitslosigkeit der Einstieg in eine andere Art zu arbeiten, einen Stil, der den eigenen Lebensvorstellungen jetzt viel mehr entgegen kommt. So wie für andere Arbeitslose auch gilt für Sie jetzt ganz besonders, dass Sie Kontakte suchen und pflegen sollten. Besuchen Sie Fachveranstaltungen und Fachmessen. Fragen Sie bei Innungen und Kammern nach, vielleicht ist Ihr Fachwissen für den einen oder andere Vortrag gefragt. Auch wenn Sie am Ende selbst nicht mitmachen, ist eine Adresse wie www.senioren-jobs.de vielleicht interessant für Sie, um zu beobachten, wie Gleichaltrige ihre Kenntnisse ganz neu vermarkten.

Mit über 50 Jahren eine neue Stelle zu suchen bedeutet häufig auch eine Umorientierung unter Karrieregesichtspunkten. Wenn es bisher immer weiter aufwärts gegangen ist, wo könnte es jetzt lang gehen? Ist noch eine Stufe höher (monetär oder bezogen auf Kompetenzen) für Sie möglich? Ist eine Stufe niedriger für Ihr Selbstwertgefühl denkbar?

Falls Sie es bisher nicht beherrschen: Nutzen Sie die Zeit, um Internetkenntnisse zu erwerben. Sie werden sich wundern, wie viele Wege Sie durch E-Mail und geschickte Recherche sparen können.

Mehr Tipps für Bewerber gibt der Ratgeber "Authentisch bewerben mit 45+".