Gewerbe oder Freiberufler?

Möchten Sie gewerblich oder freiberuflich tätig sein? Und haben Sie überhaupt die Wahl?

Sie wollen selbstständig tätig sein - aber gewerblich oder freiberuflich? Haben Sie überhaupt die Wahl? Und welche Folgen hat das?

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Wenn Sie sich selbstständig machen, müssen Sie bereits am Anfang viele wichtige Fragen entscheiden. Eine der vordringlichsten ist, ob Sie gewerblich oder freiberuflich tätig sein möchten (bzw. müssen oder können).

Freiberufler

Selbstständig sind Sie in beiden Fällen: sowohl als Freiberufler als auch dann, wenn Sie ein Gewerbe betreiben. Freiberufler haben allerdings ein paar durchaus lohnenswerte Vorteile:

  • Sie zahlen keine Gewerbesteuer.

  • Sie können die Ist-Besteuerung beantragen.

  • Sie müssen nur eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) erstellen.

Wenn Sie gerade am Anfang einer Selbstständigkeit stehen, sind die Vorteile dieser drei Punkte vermutlich nicht auf Anhieb erkennbar. Lassen Sie uns daher einen Blick auf die damit verbundenen Konsequenzen werfen.

Gewerbesteuer

Am einfachsten ist es mit der Gewerbesteuer. Sie heißt deswegen so, weil (fast) alle Gewerbetreibenden sie zahlen müssen, Freiberufler hingegen nie. Sie wird aus dem Gewinn (mit ein paar Zu- und Abschlägen) errechnet und beträgt 3,5 %, die so genannte Gewerbesteuermesszahl.

Die gute Nachricht ist, dass es einen Freibetrag von derzeit 24.500 Euro gibt, sodass Sie auf einen geringeren Gewinn gar keine Gewerbesteuer zahlen müssen.

Die schlechte Nachricht allerdings lautet, dass jede Gemeinde (denn es ist eine kommunale Steuer) diese Gewerbesteuermesszahl mit einem Hebesatz multipliziert, der typischerweise zwischen 300 % und 450 % liegt.

Beispiel: Gewerbesteuer in Aachen

In Aachen beispielsweise beträgt der Hebesatz 445 %. Da berechnet sich die Gewerbesteuer so:

50.000 Euro Gewinn - 24.500 Euro Freibetrag = 25.500 Euro sind zu versteuern

25.500 Euro * 0,035 * 4,45 = 3.971,63 Euro Gewerbesteuer

Seit 2008 darf die gezahlte Gewerbesteuer teilweise mit der Einkommenssteuer verrechnet werden, nämlich bis zu einem Hebesatz von 380 %. Das entschärft den Unterschied zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern erheblich, je nachdem, wie Ihr persönlicher Steuersatz bei der Einkommenssteuer ist.

Beispiel: Verrechnung mit der Einkommenssteuer

In Aachen übersteigt der Hebesatz von 445 % den maximal zulässigen Anteil von 380 %. Sie dürfen also (25.500 Euro * 0,035 * 3,8 =) 3.391,50 Euro von Ihrer Einkommenssteuer abziehen.

Interaktiver Gewerbesteuer-Rechner

Wie hoch die Gewerbesteuer ausfällt, können Sie im Handumdrehen ermitteln: mit unserem Gewerbesteuer-Rechner.

Ist-Besteuerung

Normalerweise werden Sie gegenüber dem Finanzamt schon Umsatzsteuer-zahlungspflichtig, sobald Sie eine Rechnung schreiben. Sie schulden dem Staat den als Umsatzsteuer bezeichneten Betrag, kaum dass die Tinte auf dem Papier getrocknet ist.

Dabei ist es völlig egal, dass Ihr Kunde die Rechnung vielleicht erst in zwei bis vier Wochen bezahlt oder sogar überhaupt nicht. Sie selber haften dem Finanzamt gegenüber für die in seinem Namen berechnete Steuersumme, nicht der Rechnungsempfänger.

Bei der Ist-Besteuerung wechselt der Anlass der Zahlungspflicht. Während Sie normalerweise die bereits vereinbarten Beträge zahlen müssen (also entsprechend den Rechnungen und deren früherem Datum), gelten dann die vereinnahmten Beträge (also die Zahlungseingänge und deren späteres Datum!).

Paragraph 20 des Umsatzsteuer-Gesetzes bietet diese Möglichkeit in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 für Freiberufler jeglichen Umsatzes. Wie Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zeigt, ist das jedoch auch für Gewerbetreibende mit Umsätzen bis zu 500.000 Euro möglich. Es ist also keineswegs ein Exklusivmerkmal der Freiberufler und die Umsatzgrenze ist selbst für Gewerbetreibende außerordentlich hoch.

Umsatzsteuer: Die schnelle Praxiseinführung

Wenn Sie bislang nicht selbstständig waren, kennen Sie das "Prinzip Mehrwertsteuer" vielleicht noch nicht. Kein Problem - hier finden Sie eine schnelle, praxisorientierte Einführung: Steuer-Grundlagen: Umsatzsteuer, Vorsteuer und Mehrwertsteuer.

Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR)

Theoretisch können Freiberufler auf einem Zettel alle Einnahmen addieren, davon alle Ausgaben abziehen und die Differenz als Gewinn deklarieren. Das ist eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Allerdings besteht das Finanzamt auf dem Ausfüllen eines Formulars, der Anlage EÜR.

Eine EÜR ist grundsätzlich einfacher zu erstellen als eine Bilanz (zu der Einzelkaufleute ab einem Umsatz von 500.000 Euro oder einem Gewinn von 50.000 Euro verpflichtet wären). Sie sollte aber nicht dazu verführen, wirklich nur ein paar zusammengeschluderte Zettel abzugeben, denn sie hilft Ihnen, den notwendigen Überblick über Ihre Finanzen von Anfang an zu behalten.

Zudem empfiehlt es sich, gerade in der Anfangsphase die Hilfe eines Steuerberaters zu nutzen. Natürlich kostet das Geld, aber dafür erfahren Sie von Pauschalen, absetzbaren Kosten und Abschreibungen, die diese Ausgaben leicht wett machen.

EÜR - so geht's!

Nicht nur Freiberufler, auch die meisten Kleingewerbetreibenden kommen in den Genuss der vereinfachten Buchführungsvorschriften. Was Sie bei der sogenannten Einnahme-Überschussrechnung beachten müssen, erfahren Sie im Praxis-Ratgeber: EÜR - So funktioniert die Einnahme-Überschussrechnung.

Was ist besser? Freiberufler oder Gewerbetreibender?

Wie wir gesehen haben, sind die Unterschiede beim genaueren Hinsehen gar nicht so gravierend. Kleine Gewerbetreibende werden fast wie Freiberufler behandelt. Spannend wird es erst, wenn Ihr Gewinn 24.500 Euro (wegen der dann fälligen Gewerbesteuer) oder gar 50.000 Euro (wegen der dann geltenden Bilanzpflicht) übersteigt.

Kommt Ihre Tätigkeit überhaupt als Freier Beruf in Frage?

Stellt sich die Frage "lieber gewerblich oder Freier Beruf?" überhaupt? Denn eigentlich muss sie anders gestellt werden:

Dürfen Sie sich überhaupt als Freiberufler betrachten?

In Paragraph 18 des Einkommenssteuer-Gesetzes findet sich eine Liste der Berufe (die so genannten "Katalogberufe"), die als freiberuflich eingestuft werden. Dazu zählen die weithin bekannten Architekten, Ärzte und Anwälte, aber auch Dolmetscher, Übersetzer und Lotsen.

Das Problem vor allem innerhalb der IT-Branche liegt darin, dass deren Berufsbilder dort nicht genannt sind. Zwar ist diese Liste nicht abschließend, wie die Formulierung "und ähnlicher Berufe" sagt, aber es ist schwierig, das Finanzamt davon zu überzeugen, dass gerade Ihre Tätigkeit dort hineinpasst.

Entscheidend ist für die Einstufung nicht, wie Sie sich bzw. Ihre Tätigkeit bezeichnen, sondern was Sie tatsächlich tun. Ein- und derselbe Beruf kann freiberufliche und selbstständige Tätigkeiten umfassen. Die Abgrenzung ist für Normalsterbliche oft schwer nachvollziehbar - Programmierer von "Trivialsoftware" gelten etwa als Gewerbetreibende. Entsprechend häufig beschäftigen solche Streitfälle die Finanzgerichte.

Freiberufler UND Gewerbetreibender - es geht auch beides!

Die einfachste Lösung für unklare Arbeitsbeschreibungen besteht darin, diese finanziell und organisatorisch zu trennen. Fassen Sie alle freiberuflichen Tätigkeiten zusammen und lagern Sie die gewerblich anmutenden Arbeiten aus.

Solange Sie hier bei akademie.de als Autor tätig sind oder auf Kongressen als Dozent Ihr Wissen weitergeben, sind Sie freiberuflich tätig. Wenn Sie in anderen Projekten jedoch konkret programmieren oder Websites erstellen, fällt das nicht mehr unter die "wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit" laut § 18 EStG.

Für den freiberuflichen Gewinn fallen sowieso keine Gewerbesteuern an und mit dem gewerblichen Gewinn bleiben Sie (hoffentlich) unter dem Freibetrag. Natürlich ist das etwas mehr organisatorischer Aufwand, immer alles sauber zu trennen, aber es könnte sich lohnen.

Steuerberater fragen

Für die tatsächliche Ausgestaltung einer freiberuflichen und gewerblichen Arbeit in Personalunion sollten Sie unbedingt einen Steuerberater hinzuziehen, damit es später nicht an Einwänden des Finanzamts scheitert.

Gewerbe wider Willen

Als "Nur-Freiberufler" müssen Sie dagegen aufpassen, dass auch alle von Ihnen angebotenen und beworbenen Dienstleistungen auch freiberuflichen Charakter haben. Sonst enden Sie womöglich als Gewerbetreibender wider Willen: "Vorsicht, Finanzamt liest mit: Vom Freiberufler zum Gewerbetreibenden - durch unvorsichtige Außendarstellung im Internet".

Anmeldung ist Pflicht

Es reicht allerdings nicht, dass Sie nun einfach beschließen, dass es losgeht. Dafür braucht es in Deutschland immer Formulare. In diesen beiden Fällen ist es aber recht einfach:

  • Freiberufler müssen sich direkt beim Finanzamt melden und füllen dort den "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung" aus, anhand dessen die Umsatzsteuer-Vorauszahlung berechnet wird.

  • Gewerbetreibende müssen ihr Gewerbe beim zuständigen Amt (Ordnungsamt, Gemeindeamt o.ä.) anmelden und einigermaßen genau beschreiben. Der Gewerbeschein kostet 10-70 Euro. Das Finanzamt wird dadurch automatisch informiert und sendet Ihnen den "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung" ebenfalls zu.

Für Gewerbetreibende kann es aber noch weitaus komplizierter werden, denn für bestimmte Bereiche (Gaststätten, Lebensmittel, Geld- und Immobiliengeschäfte etwa) gibt es noch zusätzliche Bestimmungen, die beachtet werden müssen.

Anmeldung bei Finanzamt, Gewerbeanmeldung

Praxistipps und Erläuterungen - gerade auch hinsichtlich der Anmeldung beim Finanzamt und zum Umsatzsteuerverfahren - finden Sie in unserem Beitrag "Gründung, Anmeldungen, Genehmigungen: Unternehmer werden ist nicht schwer!".

Wer überhaupt Gewerbetreibender ist, was an Unterlagen benötigt wird und wie die Anmeldung im Einzelnen funktioniert: "Ihre Gewerbeanmeldung - 10 Fragen, 10 Antworten".

IHK

Am besten fragen Sie bei Ihrer örtlichen IHK (Industrie- und Handelskammer) nach, dort gibt es Informationen, Broschüren und Beratung. Dort erfahren Sie auch, wo Sie sich mit welchen Angaben anmelden müssen.

Die Betreuung durch die IHK kostet nichts, jedenfalls nicht direkt. Gewerbebetriebe sind nämlich Zwangsmitglieder in der IHK und müssen einen jährlichen, umsatzabhängigen Beitrag zahlen, wenn sie mehr als 5.200 Euro Gewinn machen. Nur (erstmalige) Existenzgründer bleiben für zwei Jahre beitragsfrei, solange deren Gewinn unter 25.000 Euro bleibt.

Freiberufler hingegen müssen unabhängig vom Gewinn oder Umsatz nie in die IHK. Allerdings kann eine berufsständische Kammerzugehörigkeit grundsätzliche Pflicht (Ärztekammer) oder Voraussetzung zum Führen der Berufsbezeichnung (Architektenkammer) sein.

Fazit

Es ist einfacher und preiswerter, freiberuflich tätig zu sein, aber es ist keine Katastrophe, wenn Sie doch ein Gewerbe anmelden müssen. Hilfsweise können Sie Ihre Tätigkeiten auch aufteilen, um möglichst weitgehend in den Genuss freiberuflicher Vorteile zu kommen.

Mehr dazu, wie Sie die für sich passende Rechtsform finden, lesen Sie in den folgenden Beiträgen:

Alles Wissenswerte zum Thema "Gründen" finden Sie in der Gründer-Rubrik bei akademie.de.