Leitfaden für Gründerinnen

Häufige Probleme bei der Existenzgründung

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Häufige Probleme bei der Existenzgründung

Selbst wenn Sie Ihre Selbständigkeit gut geplant und lange vorbereitet haben, bringt der Unternehmensalltag manchmal Probleme und Rückschläge. Aus häufigen Fehlern anderer Gründerinnen können Sie lernen.

Jungunternehmerinnen vernachlässigen oft die Akquisition, also das Gewinnen neuer Kunden oder Aufträge. Diese Aufgabe macht keinen Spaß, deshalb macht man sie nur, wenn Zeit ist - aber Gründerinnen haben nie Zeit! Besonders bei guter Auftragslage ist die Versuchung groß, auf Akquisition zu verzichten, weil die Zeit selbst für laufende Projekte kaum ausreicht. Dadurch entstehen gefährliche Auftragslöcher, denn die Akquisitionsmaßnahmen von heute bringen die Kunden von übermorgen. Kundengewinnung ist Fleißarbeit: Aus 100 angeschobenen Kontakten werden vielleicht drei neue Aufträge. Lassen Sie sich von Absagen nicht entmutigen. Sie sind kein negatives Urteil über Ihr Angebot oder gar Ihre Person.

Viele Unternehmerinnen versuchen, Alleskönnerin zu sein. Sie verzetteln sich mit aufwändigen Marketing- und Kundengewinnungsmaßnahmen, um mit ihrem Angebot möglichst viele Leute zu erreichen. Konzentrieren Sie Ihre Bemühungen auf eine ausgewählte Zielgruppe! Sonst wird aus Ihrer sorgfältig ausgearbeiteten Geschäftsidee ein unüberschaubarer Gemischtwarenladen. Probieren Sie verschiedene Wege aus, Ihr Angebot bekannt zu machen: Starten Sie Kunden-werben-Kunden-Aktionen, erstellen Sie eine verkaufsstarke Webseite und arbeiten Sie an der Suchmaschinenpositionierung. Organisieren Sie Messebesuche auf Gemeinschaftsständen und betreuen Sie Ihre Kunden auch nach dem Verkauf und bei Reklamationen intensiv.

Manchmal steht die selbständige Existenz schon in der Aufbauphase auf dem Spiel, weil Unternehmen nicht genügend finanzielle Mittel haben, um Zahlungsverzögerungen oder -ausfälle von Kunden aufzufangen. Auch Steuerzahlungen, die oft erst nach den ersten Geschäftsjahren rückwirkend fällig werden, führen schnell zu Engpässen. Aus einer Steuerschuld von 10.000 Euro für das vorvergangene Jahr ergeben sich plötzlich Zahlungsverpflichtungen von 25.000 Euro. Deshalb ist es so wichtig, den Überblick über die eigenen Finanzen zu behalten und etwas Geld für "Unvorhergesehenes" zurückzulegen.

Sinkende Umsätze und Gewinne, steigende Kosten, zunehmende Kundenbeschwerden und Konflikte mit Lieferanten oder Partnern sind Warnsignale, die Sie nicht ignorieren dürfen. Mögliche Sofortmaßnahmen, um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern: eine Bareinlage aus Ihrem Privatvermögen, der Verkauf und das anschließende Leasing von Fahrzeugen oder Bürogeräten, das massive Einholen offener Forderungen oder die Beschaffung von zusätzlichem Kapital über Ihre Hausbank. Vorsicht: In Krisenzeiten sind Anschlussfinanzierungen - wenn überhaupt - nur äußerst schwierig zu bekommen. Planen Sie lieber vor dem Start ein ausreichendes Polster. Schnelle Änderungen gelingen eher, wenn Sie geringe Fixkosten haben.

Die meisten Gründerinnen plagen früher oder später Selbstzweifel. Die Frage "War meine Entscheidung richtig?" muss jede für sich selbst beantworten. Empfinden Sie Ihre Arbeit als erfüllend und befriedigend oder sind Sie nur belastet und überfordert? Verdrängen Sie Versagensängste oder Angst vor einer finanziellen Notlage nicht. Sprechen Sie über Ihre Probleme, am besten mit Menschen, die ebenfalls den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben und sich vielleicht ähnliche Gedanken gemacht haben. Besonders die ersten Jahre als Unternehmerin sind oft von Verzicht geprägt und der Erfolg der eigenen Anstrengung wird erst allmählich sichtbar.

Auch Einsamkeit und Isolation machen Gründerinnen zu schaffen, besonders, wenn die Selbstständigkeit am häuslichen Schreibtisch begonnen wird. Es gibt kein Plaudern mit Kollegen in der Teeküche, der informelle Wissensaustausch bleibt auf der Strecke und mit Ihren Entscheidungen stehen Sie buchstäblich allein da. Als Unternehmerin brauchen Sie Kontakte. Haben Sie Bekannte, mit denen Sie gelegentlich Ihre Mittagspause verbringen können? Engagieren Sie sich in virtuellen Netzwerken. Sie bieten mehr als fachlichen Austausch in Fragen der Unternehmensführung. Vielleicht ist auch der Umzug in eine Bürogemeinschaft eine interessante Alternative zum Homeoffice. Günstige Räume kann man oft auch in Gründerinitiativen mieten.

Preisverhandlungen sind ein weiterer Stolperstein für Unternehmerinnen, besonders im Dienstleistungsbereich. Die meisten Auftraggeber haben keine Vorstellung, wie teuer und aufwändig eine bestimmte Leistung ist. Um den Kunden zufriedenzustellen und ihm einen "guten Preis" zu bieten oder um überhaupt Aufträge zu bekommen, verkaufen Gründerinnen die eigene Arbeit unter Wert. Kalkulieren Sie den Preis für Ihre Arbeit anhand Ihrer Kosten. Wenn Sie in Verhandlungen Ihren Wunschpreis angeben, der idealerweise über Ihrer Preisuntergrenze liegt, können Sie gegebenenfalls noch etwas nachgeben. Die Untergrenze heißt aber: Bis hierhin und nicht weiter! Wenn Sie befürchten, mangels Erfahrung den Stundenaufwand für Ihre Projekte zu unterschätzen, finden Sie in Fachnetzwerken Hilfe - bis Sie selbst über ausreichend Praxis für eine realistische Angebotskalkulation verfügen.

Auch Leichtsinn führt zu Problemen im beruflichen Alltag. Wenn "Verträge brauche ich nicht" Ihr Motto ist, sind Sie in der Defensive, sobald Probleme auftauchen. Gewöhnen Sie sich an, Aufträge, Bestellungen und andere wichtige Absprachen schriftlich festzuhalten und notieren Sie alle wesentlichen Punkte der Abmachung. Wenn Sie dem Kunden eine Kopie aushändigen, beugen Sie späteren Missverständnissen und Reklamationen vor. Dafür müssen Sie zwar manchmal etwas mehr Zeit investieren. Wenn sich aber ein Kunde plötzlich nicht mehr an Absprachen "erinnert" oder es zum Streit mit Partnerinnen kommt, ist das ungleich zeitaufwändiger und teurer.

Selbst wenn Sie Ihre Familie und Ihren Partner in Ihr Vorhaben einbezogen haben, können familiäre Spannungen auftauchen: Weil Sie stärker eingespannt sind als geplant, weil Sie berufliche Probleme in Ihr Privatleben mitnehmen, weil Familienmitglieder ihre zusätzlichen Aufgaben unterschätzt haben. Versuchen Sie, Privates und Berufliches zu trennen. Das ist sicherlich besonders schwierig, wenn Sie im Homeoffice arbeiten. Wenn Sie jedoch während der gemeinsamen Zeit mit Ihren Kindern berufliche E-Mails beantworten und in Ihrer Arbeitszeit den Schwimmkurs für die Kleinen organisieren, sind Sie nie richtig bei der Sache. Bemühen Sie sich um konstruktive Lösungen. Können Sie einen festen Abend pro Woche für Ihren Partner einplanen? Die Kinder jedes zweite Wochenende einen Tag bei Freunden unterbringen und dafür umgekehrt deren Kinder regelmäßig betreuen? Oder nach besonders arbeitsintensiven Phasen Auszeiten nehmen, in denen mehr Zeit für die Familie bleibt? Lernen Sie, Arbeit, Familie und Freizeit in Einklang zu bringen.

Zur Überlastung führt manchmal auch eine gute Auftragslage.Gründerinnen sind euphorisch bei der Sache, unfähig, Aufträge abzulehnen und sehr bemüht, ihre Kunden zufrieden zu stellen. Hoher Arbeitsaufwand führt zu endlosen Nächten am PC und Selbstausbeutung. Achten Sie auf Warnsignale für Überforderung und Erschöpfung: Haben Sie in letzter Zeit stark an Gewicht verloren oder zugenommen? Leiden Sie unter Schlafstörungen? Rauchen Sie mehr als früher? Sind Sie oft grundlos gereizt? Verlieren Sie unter Stress leicht die Fassung? Können Sie nicht mehr abschalten und fühlen sich von privaten und beruflichen Problemen überrollt? Wann waren Sie zuletzt ruhig, ausgeglichen und sorgenfrei?

Unternehmerische Leistungen - kaufmännische Organisation, Vermarktung, Verkauf ihrer Produkte oder Leistungen - sehen viele Gründerinnen nicht direkt als Teil ihrer selbstständigen Tätigkeit an. Folglich werden diese Aufgaben (besonders von Solo-Selbstständigen) häufig als ungeliebte Pflicht empfunden und dementsprechend notgedrungen erledigt und improvisiert. Informations- und Unterstützungsangebote sind vielen Gründerinnen zwar bekannt, bleiben aber aus Zeitmangel ungenutzt. Als Selbstständige müssen Sie sich mit diesen Aufgaben aber professionell auseinandersetzen und sie organisieren, um Ihr Unternehmen langfristig erfolgreich führen zu können. Wenn Sie zusätzliches Wissen in fachlichen, juristischen und betriebswirtschaftlichen Themen benötigen, dann sollten Sie dies lieber früher als später anpacken. Dass Kreativität und Fachwissen für eine existenzsichernde Selbstständigkeit ausreichend sind, ist ein Irrtum: Planung, Strategie, kaufmännische Aufgaben (Vertragsgestaltung, Rechnungslegung, Vertrieb, Buchhaltung, Controlling) und betriebswirtschaftliche Ausrichtung sind mindestens genauso entscheidend.

Versuchen Sie, die Anforderungen des selbständigen Berufslebens als prinzipiell lösbare Probleme zu betrachten. Unvorhersehbare Herausforderungen wird es immer geben: Ein langjähriger Kunde springt ab, eine wichtige Mitarbeiterin kündigt, ein neues Projekt muss in kürzerer Zeit realisiert werden als geplant usw. Trauen Sie sich zu, diese Probleme erfolgreich zu bewältigen! Im Lauf der Zeit werden Sie viele Erfahrungen und Fertigkeiten im Umgang mit neuen Anforderungen erwerben. In der ersten Zeit der Selbstständigkeit brauchen Sie vor allem Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen.

Checkliste häufig auftauchende Probleme

  • Betreiben Sie Akquisition auch in Zeiten guter Auslastung

  • Konzentrieren Sie effektive Marketing- und Akquisitionsmaßnahmen auf Ihre Zielgruppe

  • Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierungsdecke

  • Lassen Sie Zweifel zu und artikulieren Sie Ihre Probleme

  • Pflegen Sie Ihre Kontakte

  • Verkaufen Sie Ihre Leistungen nicht unter Wert

  • Fixieren Sie Aufträge, Vereinbarungen und Absprachen immer schriftlich

  • Trennen Sie Privates und Berufliches

  • Achten Sie auf psychische und körperliche Warnsignale

  • Trauen Sie sich zu, Probleme erfolgreich zu lösen

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